"In ihrer Steilheit unbeschreiblich"

Die Reaktion im Ziel: "Einfach glücklich darüber, die Streif ein weiteres Mal unbeschadet überstanden zu haben".
Die Tücken der schwersten Abfahrt des alpinen Weltcup-Kalenders müssten erst gar nicht erklärt werden. Das kann auch Olympiasieger Fritz Strobl nur bestätigen, der die Streif am Freitag zusammen mit Lukas "luke777" Hafner, Sieger der ORF-Ski Challenge '09, unter die Lupe nahm.

©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer

"Ein Blick aus dem Starthaus genügt, um mit freiem Auge zu sehen, wie es hier zur Sache geht", sagte Strobl.

Der 37-jährige Kärntner muss es wissen: Er gewann in Kitzbühel 1997 und 2003 - seine Rekordzeit von 1:51,58 Minuten blieb bis heute unerreicht. Für ORF.at analysierte Strobl vor der 70. Auflage der Hahnenkammrennen die Schlüsselstellen der berüchtigten Streif.

Start, Mausefalle, Kompression
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
"Die größte Herausforderung ist der Start mit einer Beschleunigung von null auf 100 in sechs Sekunden. Bis zur Ausfahrt Steilhang ist die Steilheit unbeschreiblich. Da steigt der Adrenalinspiegel ins Unermessliche. Der Startschuss ist zugleich das erste wichtige Kriterium, weil er direkt zur Mausefalle führt, gefolgt von einem Sprung über 50 bis 65 Meter - von der Überwindung her enorm."

"Danach die Kompression: Dort müssen die Fahrer darauf achten, ihre Position schön hoch zu halten, um nicht hinten zu sitzen. Jetzt die Linkskurve zum U-Hakerl: Ganz wichtig dabei ist, genau in der Mitte in die Kurve hineinzufahren, um den vollen Schwung mitnehmen zu können."

Steilhangausfahrt, Brückenschuss
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
"Für das Rennen mitentscheidend: Steilhangausfahrt, wo schon viele im Netz zappelten, in den Brückenschuss - ein 20 bis 25 Sekunden langes Gleitstück. Die Vorgabe dabei ist: Zuerst ein bisschen Richtung machen und dann enorm Druck geben, damit so viel Tempo wie möglich ins Flachstück mitgenommen werden kann."

Passage Alte Schneise, Super-G-Start
"Dort geht es eigentlich gerade hinunter, man braucht lediglich gutes Material. Der folgende Seidlalmsprung ist im Gegensatz zu früher kein besonderes Kriterium, weil er nicht mehr hoch ist - also trotz hoher Geschwindigkeit angenehm zu fahren."

Seidlalm, Lärchenschuss, Hausberg
"Seidlalm und Lärchenschuss sind eher flachere Abschnitte, die allerdings besonders viel Gefühl erfordern - den Ski einfach laufen lassen, das ist ganz wichtig. Über den Lärchenschuss geht es hinunter zum Oberhausberg, wo es übrigens eine feine Skihütte gibt. Die Skifahrer dürfen dort natürlich nicht einkehren, ich als Skipensionist schon und immer wieder gern (lacht)."

"Vom Oberhausberg führt die Strecke über einen Rechtsschwung direkt zur Hausbergkante, das zweite rennentscheidende Kriterium. Die Fahrer steuern wie bei der Mausefalle ins Nichts, weil sie nicht in die Traverse hinuntersehen. Sie müssen sich einen Punkt in der Landschaft suchen, um die richtige Anfahrtsposition zu erwischen. Mit einem Sprung geht es dann in die Traverse mit ihrer Kompression."

Traverse, Zielschuss, Zielsprung
"In der Traverse heißt es, ganz hoch - bei der blauen Linie - bei den Toren herauszukommen. Nur so ist es möglich, senkrecht mit hoher Geschwindigkeit in den Zielschuss zu stechen. Hier ist es wie im richtigen Leben: Man kann viel Zeit gewinnen, aber auch viel Zeit verlieren."

"Achtung auf den Zielsprung: Zwar wurde er entschärft, abgegraben und ist als Sprung kaum mehr zu erkennen, aber Vorsicht und Konzentration sind dennoch geboten. Bei einem Fehler drohen nach wie vor schwere Stürze. Dann geht es ab ins Ziel."

Im Ziel - in Sicherheit
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
©Bild: ORF.at/Dominique Hammer
Wie fallen die Reaktionen der Fahrer nach fast zwei Minuten physischer und psychischer Höchstbelastung aus?

"Unterschiedlich", so Fritz "The Cat" Strobl. "Manche ärgern sich über Fehler und verlorene Zeit."

"Den meisten fällt aber ein Stein vom Herzen, sie sind einfach nur glücklich darüber, die Streif ein weiteres Mal unbeschadet überstanden zu haben. Bevorzugte Fahrer in Kitzbühel sind Techniker mit viel Routine."

Michael Fruhmann, ORF.at aus Kitzbühel

Links: