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©Bild: ORF.at/Carina Kainz |
Fitstore24 - Bikepalast Kohl lautet der Name des 1.200-Quadratmeter-Areals an der Triester Straße im südlichen Einzugsgebiet Wiens, das der 27-Jährige in Kooperation mit seinem ehemaligen Erfolgstrainer Werner Zanier (Fitstore24) und dem Salzburger Radsportspezialisten Bikepalast auf die Erfolgsspur bringen soll.
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ORF.at: Herr Kohl, die Zeit, so wird gesagt, heilt alle Wunden. Trifft das auch auf Sie und Ihre Vergangenheit zu?
Kohl: Mit meiner Situation bin ich zufrieden - neues Ziel, neue Herausforderung. Das Geschäft macht mir riesigen Spaß. Und das ist in meiner Situation wohl am wichtigsten.
ORF.at: Inwiefern haben sich die Wogen nach den Turbulenzen der vergangenen Monate wieder geglättet?
Kohl: In der Öffentlichkeit stehe ich nach wie vor, die Menschen auf der Straße kennen und erkennen mich. Die Stimmungslage hat sich allerdings markant verbessert. Darüber bin ich heilfroh, weil es bestätigte, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Nicht immer in die richtige Richtung, auch ich machte Fehler. Mit der Idee des Radgeschäfts habe ich das Ruder letztlich aber herumgerissen. Das ist ein Fulltime-Job.
ORF.at: An welche Momente nach Ihrem Dopinggeständnis erinnern Sie sich, die besonders schlimm für Sie waren?
Kohl: Natürlich gab es die. Momente, in denen ich verzweifelt war und nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Ich konnte nicht glauben, wie ich öffentlich dargestellt wurde. Ich für mich wusste alles, die Hintergründe, was sich zugetragen hatte. Das wussten die Leute halt draußen nicht. Zum Glück standen meine Familie und meine wahren Freunde immer zu mir. Dieser Rückhalt hat gepasst. Das hat viel geholfen.
ORF.at: Was nehmen Sie aus dem Sport in Ihr weiteres Leben mit?
Kohl: Als Spitzensportler, als Ausnahmeathlet habe ich viel gelernt: konsequent zu leben, Ziele zu verfolgen und zu erreichen, aber auch aus Fehlern zu lernen. Das kann ich in mein Geschäft mitnehmen. Ich machte Riesenfehler. Das dabei verlorene Vertrauen kann ich nun vielleicht wieder aufbauen.
ORF.at: In welcher Hinsicht sind Sie als Mensch gereift?
Kohl: In jeder. Wer eine solche Lebenssituation wie ich erlebt und übersteht, kommt gestärkt heraus - sofern sie gemeistert wird. Andere stürzen ab, bleiben ganz unten. Ich hatte mehr Glück und konnte mein Schicksal wieder in die richtige Richtung lenken.
ORF.at: Was jedoch wäre gewesen, wären Sie im Sommer 2008 nicht des Dopings überführt worden?
Kohl: Es hätte sich nichts geändert. Vielleicht wäre ich in der Zwischenzeit aber auch schwer gestürzt und würde jetzt im Rollstuhl sitzen. Das Leben hat seine Spielchen, die vorbestimmt sind. Möglicherweise bewahrte mich Doping sogar vor einem noch größeren Übel. Das weiß niemand.
ORF.at: Würden Sie noch einmal Radprofi werden wollen?
Kohl: Mit dem damaligen Wissen würde ich es genauso wieder machen. Ich habe ja nur das gemacht, was mir meine Kollegen vorlebten. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich mich wahrscheinlich anders entschieden. Nur, was soll's? Zurück oder nach vor zu schauen funktioniert nicht. Entscheidungen werden im Ist und Jetzt getroffen. Deshalb würde es wohl genauso wieder laufen.
ORF.at: Sie sind aus dem Dopingsystem ausgebrochen. Sind Sie erleichtert?
Kohl: Oh doch. Im Rückspiegel gesehen ist es verrückt, was ich aufgeführt habe und was ich durchleben musste. Doch als Profisportler reicht der Blick nicht über den Tellerrand hinaus. Das ist die Welt, in der man gefangen ist und für Erfolg alles macht. Mein Weg in die Öffentlichkeit, darüber zu reden, war meine Art der Selbsttherapie. Dadurch wurde mir erst die Tragweite dessen bewusst, was ich eigentlich angestellt hatte. Sonst hätte ich es ebenso wie 99 Prozent der anderen Sportler einfach verdrängt.
ORF.at: Wie groß war das sprichwörtliche Loch, in das Sie nach Ihrem Karriereende gefallen sind?
Kohl: Das hat es bei mir nie gegeben. Ich hatte keine ruhige Minute. Erst war der Dopingskandal, dann ein bisschen Frieden, dann wurde aber die SoKo Doping ins Leben gerufen, wodurch alles wieder hochkochte. Und das ging nahtlos in die Geschäftsidee über - 20 Stunden Arbeit täglich. Mir war in den vergangenen Jahren nie fad, ehrlich. Ich hatte stets Ziele und Aufgaben, die erledigt werden mussten.
ORF.at: War ein Radgeschäft schon zu aktiven Zeiten ein Lebenstraum, oder entsprang diese Idee einfach aus Ihrer Notsituation?
Kohl: Eigentlich beides. Es hat sich ergeben. Wäre ich nicht erwischt worden, würde sowieso noch immer Rad fahren. So aber überlegte ich, was ich aus meiner Zukunft machen könnte, um weiterhin Spaß am Leben zu haben. Denn nur mit Spaß an der Sache kommt der Erfolg, ob im Beruf oder im Sport. Und klar, mein Herz hängt noch am Radsport. Aber mit diesem Store haben wir eine perfekte Symbiose gefunden, mit der wir im Winter und im Sommer ein gutes Geschäft machen können. Das ist in diesem Bereich einzigartig in Österreich.
ORF.at: Was verspüren Sie beim Gedanken an die neue Radsaison?
Kohl: Das ist ein anderes Leben. Es war wunderschön, nun aber habe ich neue Ziele. Zum Glück habe ich die Gabe, mich auf neue Ziele mit vollster Hingabe konzentrieren zu können. Und das macht mir große Freude. Wäre dem nicht so, würde ich heute vielleicht weinen, dasitzen und mir wünschen, wieder Radrennen fahren zu dürfen. So aber bin ich zufrieden.
ORF.at: Werden Sie die Tour de France noch einmal in Frankreich besuchen?
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ORF.at: Nebenbei kämpfen Sie im Hintergrund gegen Doping. Inwiefern ist Österreich dabei auf dem richtigen Weg?
Kohl: Keine Ahnung. Meine Vorträge in den Schulen kommen gut an, obwohl anfänglich Skepsis herrschte. Doch das Feedback war begeisternd. Die Wahrheit wird akzeptiert, auch dass ich meine Erfahrungen und mein Wissen brühwarm weitergebe. Welcher Sportler kann das von sich schon behaupten? Nur würde ich mir mehr Anfragen in Sachen Aufklärung wünschen. Doch die Politik dürfte nicht so recht daran interessiert sein, anderenfalls würde sie diesbezüglich mehr Initiative zeigen.
ORF.at: Haben Sie zu Ihren ehemaligen Trainingskollegen in Klagenfurt noch Kontakt?
Kohl: Nach meinem Outing versuchte ich sie noch ein paar Mal anzurufen. Sie selbst haben sich nicht mehr gemeldet. Das ist eben der Sport. Wer dabei ist, ist ein guter Freund von jedem, wer nicht dabei ist, wird ersetzbar. Im Sport sind und bleiben nur Egoisten erfolgreich. Da schaut jeder auf sich. Wahre Freunde hingegen sind eher die Ausnahme.
ORF.at: Sind Sie gerade glücklich?
Kohl: Auf jeden Fall. So ein Business hinzustellen ist eine tolle Sache und auch nicht selbsverständlich. Schon cool da (sieht sich um, Anm.). Mein einziger Wunsch wäre mehr Freizeit. Aber das wird sich einspielen. Vorerst heißt es halt reinbeißen und investieren. Irgendwann werden sicher wieder ruhigere Zeiten auf mich zukommen.
Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at
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