"Pumpgun-Ronnie" als Marathonläufer

Hauptdarsteller Andreas Lust bekam beim VCM-Zieleinlauf eine "Gänsehaut".
Im derzeit in den österreichischen Kinos laufenden Film "Der Räuber" sind auch beim Vienna City Marathon (VCM) 2008 gedrehte Szenen zu sehen.

Im Film, dessen Romanvorlage von Martin Prinz (erschienen im Verlag Jung und Jung) an das Leben des als "Pumpgun-Ronnie" berühmt gewordenen Bankräubers und Mörders Johann Kastenberger (im Film: Rettenberger) angelehnt ist, wird nämlich auch die Laufleidenschaft des Verbrechers ausführlich behandelt.

Der Streifen von Regisseur Benjamin Heisenberg wurde mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet und nahm am Wettbewerb der 60. Berlinale teil.

Schwierige Dreharbeiten
Obwohl Kastenberger niemals am Marathon in Wien teilgenommen hat, wurde für den Film der VCM als ausdrucksstarker Schauplatz gewählt.

Sowohl für die Marathonveranstalter als auch für die Filmcrew war der Dreh ein logistischer Drahtseilakt, wie VCM-Organisationsleiter Gerhard Wehr erklärte: "Es mussten Schauspieler, Mitarbeiter und Equipment während des Rennens an Stellen des Marathons gebracht werden, an denen es am Renntag sonst absolut kein Durchkommen gibt. Dazu stand für den Zieleinlauf von Hauptdarsteller Andreas Lust nur ein sehr kurzes Zeitfenster zur Verfügung, um den 'normalen' Marathon nicht zu beeinflussen."

Nur die wenigsten Läufer und Zuschauer bekamen wohl mit, dass ein Kinofilm gedreht wurde. Der vom Zielsprecher als bester Österreicher ausgerufene "Johann Rettenberger" wurde von Tausenden Fans auf dem Heldenplatz mit großem Applaus bedacht.

Verbrechen als sportliche Herausforderung
Regisseur Heisenberg entwirft in dem Film eine existienzielle Grenzfigur. Nach Jahren im Gefängnis, in denen er ein intensives Lauftraining absolviert hat, wird Rettenberger in die Freiheit entlassen und nimmt an Laufwettbewerben, darunter dem VCM, teil. Daneben überfällt er - mit Pumpgun und Gummimaske - Banken, einmal gleich drei an einem Tag, und flüchtet in der Regel zu Fuß.

©Bild: www.derraeuber.at
©Bild: www.derraeuber.at

Die Verbrechen sind für ihn eine Herausforderung, bei der er wie beim Laufen seine Leistung ständig steigern muss. Er ist auf der Suche dem Hochgefühl und abhängig davon. Das bei den Überfällen erbeutete Geld ist nur Nebensache.

Nach einer Festnahme gelingt ihm durch einen Sprung aus dem Fenster die spektakuläre Flucht, in den folgenden Tagen hält der meistgesuchte Mann Österreichs ein Großaufgebot der Polizei in Atem. Die Flucht - zu Fuß und mit gestohlenen Autos - wird zum finalen Marathonlauf des Films und seines Lebens.

Langstreckenlauf als filmisches Problem
Romanautor Prinz, selbst ein leidenschaftlicher Hobbyläufer, ist überzeugt, dass die Laufszenen im "Räuber" in noch nie zuvor in einem Spielfilm gesehener Realitätsnähe gezeigt werden.

"Die Schwierigkeit, einen Langstreckenläufer in einem Film zu zeigen, ist, dass seine Bewegung die eines klassisches Understatement ist. Seine Bewegungen müssen so ökonomisch sein, dass sie alles das nicht enthalten, was ein Zuschauer im Allgemeinen mit Hochleistungssport verbindet. Das kann man nicht spielen, man muss vom Spielen runterkommen. Ich glaube, das ist Andreas beeindruckend gut geglückt."

Prinz übernahm auch persönlich die Leitung des notwendigen Lauftrainings von Hauptdarsteller Lust. "Er hat ein halbes Jahr lang sehr diszipliniert gelebt. Ich hoffe, dass auch bemerkt wird, welche Leistung das ist: denn es ist natürlich auch eine versteckte."

"Gänsehaut" beim Zieleinlauf
Trotz des harten Trainings musste Lust am Tag des VCM-Drehs an seine Grenzen gehen. "Ich war an dem Tag sehr aufgeregt, weil alles an mir hing. Der logistische Aufwand war groß, weil wir immer an verschiedenen Punkten der Strecke eingestigen und ein, zwei Kilometer mitgelaufen sind."

"Das letzte Stück von der Oper zum Heldenplatz war die größte Herausforderung. Wir haben eine Lücke im Feld abgepasst und sind losgelaufen. Ich durfte den Abstand zu den anderen Läufern nicht kleiner werden lassen und lief die letzten 300 Meter auf dem Zieleinlauf vor 30.000 jubelnden Zuschauern. Ich habe eine Gänsehaut bekommen", schilderte Lust.

Die Geschichte von "Pumpgun-Ronnie"
Kastenberger (1958-1988) war als "Pumpgun-Ronnie" in die österreichische Kriminalgeschichte eingegangen. Als Läufer gewann er in den 1980er Jahren mehrere Volksläufe in Österreich, seit 1988 hält er den Streckenrekord beim Kainacher Bergmarathon.

Nach einem Banküberfall im Jahr 1977 wurde er verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung der Haft wohnte er bei seiner Freundin in Wien-Simmering. Im August 1985 erschoss Kastenberger einen 28-jährigen Mann, nach eigener Aussage, weil dieser ihn "einfach genervt" habe. Zudem gilt er bis heute als Hauptverdächtiger dreier weiterer Morde.

In der Folge überfiel Kastenberger zahlreiche Banken, im Februar 1988 sogar gleich drei an einem Tag. Insgesamt erbeutete er dabei über sechs Millionen Schilling. Da er all diese Taten mit einer Pumpgun und einer Maske des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan verübte, wurde er schon bald als "Pumpgun-Ronnie" bekannt.

Größte Fahndung der Nachkriegsgeschichte
Am 11. November 1988 wurde Kastenberger verhaftet und legte ein Geständnis ab. In seiner Wohnung fanden die Ermittler zwei Schlüssel für Bankschließfächer, in denen sich noch fast die gesamte Beute befand.

Zwei Tage später, als die Beamten sein Geständnis protokollieren wollten, sprang Kastenberger aus dem Fenster im ersten Stock der Rennweger Kaserne, landete auf der Motorhaube eines parkenden Autos und flüchtete zu Fuß. In den folgenden Tagen entwendete er mehrere Autos und löste die mit mehr als 450 beteiligten Beamten bis dahin größte Fahndung der österreichischen Nachkriegsgeschichte aus.

Am 15. November 1988 endete seine spektakuläre Flucht schließlich auf der Westautobahn: Kurz vor St. Pölten durchbrach Kastenberger eine Straßensperre, wurde angeschossen und richtete sich mit einem Kopfschuss selbst.

Rudolf Srb, ORF.at

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