"Akuter Handlungsbedarf"

Günter Bresnik im ORF.at-Interview.
ÖTV-Hoffnung Tamira Paszek befindet sich auf rasanter Talfahrt, ein Talent im Herren-Bereich, das die Lücke hinter Jürgen Melzer schließen könnte, ist erst gar nicht in Sicht. Wie geht es mit Österreichs Tennissport weiter?

Im Interview mit ORF.at sprach Ex-Davis-Cup-Kapitän Günter Bresnik über die Zukunft, die Fehler in der Vergangenheit und mangelnde Unterstützung vorhandener Talente durch den Österreichischen Tennisverband (ÖTV).

ORF.at: Herr Bresnik, in einer österreichischen Tageszeitung stellten Sie die Zukunft des heimischen Tennis infrage. Wie stellt sich die Situation dar?

Günter Bresnik: Es gibt auch Lichtblicke. Nur ist die Erwartungshaltung in Österreich eben sehr hoch. Man denke nur an die Zeit vor Thomas Muster und Horst Skoff oder Alex Antonitsch, da gab es gar keine Top-100-Spieler - außer Hans Kary, aber das war schon in der Steinzeit.

ORF.at: Auch derzeit hat der ÖTV mit Jürgen Melzer nur einen Topspieler.

Bresnik: Er ist zwar der Einzige in den besten 100, dort aber hoch angesiedelt. Und gerade im vergangenen Jahr feierte Jürgen in der Stadthalle einen für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlichen Erfolg. Das darf nicht vergessen werden. Auch bei den Damen ist nicht alles ganz schlecht.

ORF.at: Stichwort Tamira Paszek?

Bresnik: Sie und andere haben die in sie gesetzten Erwartungen bei weitem nicht erfüllt. Auf der anderen Seite haben wir mit Barbara Haas die beste 14-Jährige, die international für immenses Aufsehen sorgt, mehr Aufsehen, als uns in Österreich bewusst ist. Hinter ihr sind Topagenturen und Topausrüster her. Das ist aber kein Verdienst des heimischen Verbandes, was auch gesagt werden muss.

ORF.at: Warum nicht? Könnten Sie das konkretisieren?

Bresnik: Weil die Verbandsperformance im Spitzensport in den letzten zehn bis 20 Jahren schwach war. Internationale Erfolge, egal ob im Jugendbereich oder in der allgemeinen Klasse bei Damen und Herren, entstehen nur aus privater Initiative. Darüber wird im Verband auch diskutiert, das weiß ich, weil sie dort nicht dumm sind und die Entwicklung mitkriegen.

ORF.at: Warum wird auf die Stuation nicht reagiert?

Bresnik: Ich erinnere nur an die Reaktivierung von Stan Francker in der Südstadt. Damals, so die Zielvorgabe, wollte der ÖTV binnen fünf Jahren sieben Spieler bei Damen und Herren in die Top 100 bringen.

Fünf Jahre später sind wir nicht einmal in der Jugendweltrangliste ganz vorne vertreten - nicht einmal dort, das ist schlecht. Deshalb kritisiere ich auch die sportlichen Aktivitäten des Verbandes laut und deutlich. Sie sind schwach.

ORF.at: Welche Maßnahmen müsste der ÖTV nun ergreifen?

Bresnik: Die für den Spitzensport verantwortlichen Personen müssen einfach ausgetauscht werden. Das kann ich als Trainer besser beurteilen, auch wenn ich dafür immer kritisiert werde als ein Funktionär und Normalverbraucher. Ich weiß um die Notwendigkeiten und weiß, dass in Österreich schlecht gearbeitet wird. Diese Situation wird bzw. darf auf Dauer nicht halten.

ORF.at: Ihre Kritik bezieht sich vor allem auf die Nachwuchsarbeit.

Bresnik: Wie kann ich verantworten, dass ich eine Vielzahl von Jugendlichen in die Südstadt hole, diese nach drei Jahren aber vor einem Trümmerhaufen stehen? Von einer Karriere will ich gar nicht reden, so weit kommt es nicht, weil sie schlecht ausgebildet worden sind.

Einige hatten auch gar nicht das Potenzial. Dieses Geld hätte sich der Verband sparen müssen für Talente, die irgendwann auftauchen. Derzeit wird Geld nach dem Gießkannenprinzip verblasen, werden zig Leute gefördet, von denen im Vorhinein jeder weiß, dass ihnen das Rüstzeug fehlt.

ORF.at: In die Südstadt zu wechseln wäre für einen jungen Athleten also ein fataler Fehler?

Bresnik: Erfolge basieren auschließlich auf privaten Initiativen, wobei wir wieder bei Barbara Haas mit ihren 14 Jahren wären. Sie ist rund 50 Plätze besser platziert als ihre zwei Jahre ältere Schwester Patricia, die seit zwei oder drei Jahren beim Verband trainiert und nicht weniger begabt ist. Sie entwickelt sich aber in die verkehrte Richtung.

ORF.at: Welche ÖTV-Unterstützung erhalten privat trainierende Sportlerinnen und Sportler?

Bresnik (lacht): Dominik Thiem etwa, mit 16 die Nummer 32 bei der Jugend, bekommt keinen Groschen, und wenn er einen Trainingsplatz braucht, muss er noch herumdiskutieren. Kosten für Turniere und anderes müssen bei den Jungen aus der Tasche des Vaters oder des Großvaters bezahlt werden, während Jugendspieler, die auf 300 stehen, vom ÖTV im Jahr mit 50.000 Euro unterstützt werden. Meiner Meinung nach kein schlaues Förderungskonzept.

ORF.at:Was prognostizieren Sie für die Zukunft des österreichischen Tennissports?

Bresnik: Der ÖTV, auch Präsident Ernst Wolner, weiß genau, dass akuter Handlungsbedarf herrscht. Das haben sie kapiert. Wie lange es dauert, bis der gemachte Schaden repariert worden ist, weiß ich nicht. Das hängt von den Maßnahmen ab. Da gehört jemand her, der sein Handwerk versteht und auch den Drive hat, etwas bewegen zu wollen.

Denn der Unterbau ist gut. Mit Haas, Christine Kandler, die mit 15 Jahren schon im Hauptbewerb eines 25.000-Dollar-Turnieres aufzeigte, und Thiem haben wir top ausgebildete Athleten. Auch andere hätten das Zeug dazu.

Würden sie alle in einer Gruppe zusammengefasst werden, würde die Entwicklung wahrscheinlich schneller vorangehen als derzeit - mit privaten und abgeschirmten Einzelaktionen, die unter Laborbedingungen Spitzenspieler aus der Retorte produzieren sollen.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

Link: