Ein Verein im Wandel

Der Club mit dem Totenkopf.
Alles am FC St. Pauli ist irgendwie anders: Sogar unterhalb des Logos prangt auf der Vereinswebsite in stolzen Lettern: "Non established since 1910". Frei übersetzt: Wir sind unangepasst und stolz drauf.

Der Verein, dessen legendäres Millerntor-Stadion in Hamburg nur wenige Schritte von der Reeperbahn und dem Kiez entfernt steht, wird am 15. Mai 100 Jahre alt und befindet sich wieder einmal im Höhenflug und auf dem Weg zurück in die deutsche Bundesliga.

Die dürren Jahre sind vorbei
Deutschlands liebster Außenseiterclub, mit dem mittlerweile auf unzähligen Merchandising-Artikeln verbreiteten Totenkopf als Erkennungszeichen, ist ein wahres Stehaufmännchen.

Die Jahre des sportlichen und vor allem finanziellen Überlebenskampfes scheinen vorerst hinter dem Team mit der Fanszene zu liegen. Der Wandel vom ursprünglichen Fußballclub zur europaweiten "Marke" ist eingeläutet und nicht aufzuhalten.

Manchen Fans, die vor rund 30 Jahren zu einem Gutteil der Hamburger Hausbesetzerszene entstammten, geht das schon zu weit.

St. Pauli ist immer noch St. Pauli
Trotzdem ist St. Pauli noch immer St. Pauli und beweist immer wieder, dass der Verein seinen Ruf als alternatives Fußballmodell nach wie vor zu Recht hat.

Ob von originellen Geldbeschaffungsaktionen bis zur Gestaltung der Business-Logen, die inzwischen auch im Stadion am Millerntor Einzug gehalten haben.

"Saufen für St. Pauli"
Auf über drei Millionen Euro beliefen sich vor wenigen Jahren noch die Verbindlichkeiten der Hamburger.

Es war die schwere Last der turbulenten Jahre von 2001 bis 2004, als St. Pauli zuerst sensationell in die Bundesliga aufstieg, danach aber beinahe bis in die Oberliga (vierte Leistungsstufe) durchgereicht worden wäre.

Der Club half sich u. a. mit unkonventionellen Marketingaktionen wie den "Rettet den FC St. Pauli"-T-Shirts (von denen 140.000 Stück verkauft wurden) oder "Saufen für St. Pauli", als die Lokale auf dem "Kiez" zu jedem Bier 50 Cent Solidaritätsaufschlag verrechneten, aus der Krise.

2003 wurden innerhalb von drei Monaten fast zwei Millionen Euro für den Verein zusammengetragen.

Der Präsident und sein Trainer
Bisher erlebte der FC St. Pauli sieben Spielzeiten in der Bundesliga. 1977 stieg der Club erstmals in die Eliteliga auf. Der Abstieg folgte umgehend. Danach spielten die Hamburger von 1988 bis 1991, von 1995 bis 1997 und in der Saison 2001/02 erstklassig.

Sollte der fünfte Bundesliga-Aufstieg gelingen, wäre dafür neben Clubboss Cornelius "Corny" Littmann, der seit Ende 2002 mit Charme, Kreativität sowie Bestimmtheit den Club vertritt, vor allem Trainer Holger Stanislawski verantwortlich.

"Die Spieler müssen brennen"
Als der 40-jährige Ex-St.-Pauli-Verteidiger im November 2006 nach der Beurlaubung von Andreas Bergmann zunächst interimsmäßig das Traineramt übernahm, war der Club in der ehemaligen drittklassigen Regionalliga Nord Zwölfter.

Damals traute sich niemand, auch nur an die Bundesliga zu denken. Seit Stanislawski das Zepter schwingt, weht jedoch ein anderer Wind am Millerntor. Die Spieler des FC St. Pauli sind quasi handverlesen und auf die Ideale des Clubs geeicht.

"Die Spieler müssen brennen, müssen Siegermentalität haben, aber sie müssen sich in bestimmten Situationen auch unterordnen können", so Stanislawski.

17.000 Fans in der dritten Liga
Die Kicker identifizieren sich ebenso mit dem Verein wie die Fans. Bei beeindruckenden 16.800 Zuschauern lag der Schnitt sogar in der dritten Liga. Doch auf Dauer hält der Mythos allein den schillernden Klub nicht am Leben.

Finanzielle Stabilität und eine noch breitere Fanbasis, vom Hardcore-Fan bis zum Trendsurfer, sind alle willkommen, sollen erreicht werden.

Millerntor wird zur Arena
Für das große Ziel putzt St. Pauli sogar sein Stadion heraus. Die neue Haupttribüne soll pünktlich zum Bundesliga-Saisonstart fertig sein. Dann bietet die Arena 24.800 Plätze, davon noch immer sehr viele Stehplätze, um die traditionellen Fans nicht zu vergraulen.

Bis 2014 ist auch noch die Erneuerung der Tribüne auf der Gegengeraden und der Nordtribüne geplant. Während des Umbaus ist die Zuschauerkapazität auf 19.900 beschränkt.

"Kapelle" auf der Südtribüne
Wenn alles fertig ist, passen 27.000 Zuschauer in das Schmuckkästchen. Nichts erinnert dann mehr an den räudigen Charme früherer Tage.

Auf der neuen Südtribüne wurden auch die unvermeidlichen Business-Logen errichtet, eine davon von einer Werbeagentur als eine Art Kapelle gestaltet. In der freilich nur zwei Götter angebetet werden: der Fußball und der FC St. Pauli.

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