"Die Chancen stehen 50:50"

Der Argentinier Javier Zanetti bestreitet sein 700. Bewerbsspiel für Inter Mailand.
Mit jeweils dem nationalen Double in der Tasche greifen Bayern München und Inter Mailand am Samstag (20.45 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) in Madrid nach dem Sieg in der UEFA Champions League und somit nach dem raren Triple.

Im wichtigsten europäischen Clubfußballspiel des Jahres sind die Italiener für die Buchmacher Favorit, die Beteiligten sprechen hingegen durch die Bank von einer ausgeglichenen Partie. "Die Chancen stehen 50:50, beide Mannschaften sind stark", sagte etwa Inter-Verteidiger Lucio, der von 2004 bis 2009 noch bei Finalgegner Bayern Tore verhindert hatte.

Deutlich geringer stehen die Chancen auf Einsätze der beiden ÖFB-Legionäre David Alaba (Bayern) und Marko Arnautovic (Inter).

Zwei unterschiedliche Spielweisen
Inter gegen Bayern ist auch der spannende Vergleich zweier verschiedener Philosophien. Inter setzte in allen Wettbewerben ausnahmslos und erfolgreich auf die perfekte Absicherung der Defensive.

Startrainer Jose Mourinho passte das Spielschema wahlweise an: Einmal kontrollierte Inter im 4-3-1-2-System den Herausforderer, das andere Mal zermürbte man die Konkurrenz mit einem 4-2-3-1. Auf dem Weg ins Finale wurde u. a. Titelverteidiger FC Barcelona samt Weltfußballer Lionel Messi aus dem Bewerb geworfen.

Mehr Mut zum Risiko in München
In München riskierten sie vergleichsweise mehr. Nicht nur der Weg und das nackte Ergebnis waren das Ziel, sondern auch die spektakuläre Art und Weise. Mit ihrer mutigen Strategie strapazierten Arjen Robben & Co. die Nerven der Anhänger bis an die Schmerzgrenze.

Zweimal, in Florenz (Achtelfinale mit Alaba) und Manchester (Viertelfinale), mussten sie im Rückspiel drei Treffer hinnehmen. In beiden Fällen vermieden die Bayern dank der Qualität in der Offensive das Out. Umso schmerzhafter für die Deutschen ist das Fehlen des gesperrten Franck Ribery.

Bayern setzen auf eigene Jugend
Auch in der Kaderplanung treffen zwei Welten aufeinander. Neben Stars wie Robben und Ribery prägen bei den Bayern auch Talente aus der eigenen Jugendabteilung das Gesicht des Teams. Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sind seit Jahren feste Größen, in dieser Saison sind Thomas Müller, Holger Badstuber oder Diego Contento nachgerückt.

Inter kauft lieber ein
Die meisten Inter-Spieler dagegen sind teuer, erfahren und aus Südamerika. Allein die brasilianisch-argentinische Abwehrkette mit Maicon, Lucio, Samuel und Javier Zanetti hat ein Durchschnittsalter von 32 Jahren, der Club macht seinem Namen "FC Internazionale" alle Ehre.

Die vier einzigen Italiener (Mario Balotelli, Davide Santon, Marco Materazzi, Francesco Toldo) sitzen meist nur auf der Bank. Und so gehören gleich sieben Bayern-Stars dem deutschen WM-Kader an, aber kein "Interisti" dem italienischen.

Alles dreht sich um Mourinho
Bei Inter drehte sich in den Tagen vor dem Finale alles um Coach Mourinho. Der Portugiese soll mit Real Madrid, dem Hausherren des Finales im Bernabeu-Stadion, verhandeln. Gut möglich, dass Mourinho aber vor dem Spiel der Spiele nur die Aufmerksamkeit und den Druck auf sich und somit weg von seinen Spielern leiten will.

Zudem buhlt der Inter-Trainer um die Unterstützung der spanischen Fans im Stadion. "Ich hoffe, dass im Bernabeu-Stadion alle Real-Fans auf unserer Seite sind", sagte Mourinho. Sein Gegenüber Louis van Gaal steht dem Inter-Coach in puncto Außendarstellung und Exzentrik um nichts nach.

"Ganz Europa hält für Bayern"
"Ich glaube, ganz Europa hält für Bayern", wähnt der Bayern-Trainer und ehemalige Lehrer Mourinhos in gemeinsamen Barcelona-Zeiten in der ihm eigenen selbstbewussten Art sogar den gesamten Kontinent hinter sich.

Kein Wunder, dass die beiden Erfolgstrainer eine Freundschaft verbindet. Van Gaal ist von der Stimmung innerhalb seiner Mannschaft hellauf begeistert. "Meine Mannschaft hat einen Willen und ein Vertrauen in mich, wie ich das noch nie erlebt habe", so der Niederländer, der vor allem auf einen weiteren guten Tag seines Landsmannes Robben hofft.

Jubiläumsspiel für Zanetti
Doch auch der Gegner ist hoch motiviert. "Wir sind bereit für ein großartiges Finale", meinte Zanetti, der am Samstag sein 700. Bewerbsspiel (Meisterschaft, nationaler Cup und Europacup) für Inter bestreiten wird. Der 36-jährige Argentinier hält seinem Verein bereits seit 1995 die Treue und kam seither allein in der Serie A auf 506 Einsätze.

"Das ist Unglaublich. Es ist ein Zeichen des Schicksals, das uns hoffentlich Glück bringt", sagte der Mannschaftskapitän. "Ich bin Tausende von Kilometern gelaufen, um das zu erreichen. Es wird ein besonders emotionaler Moment für mich."

Es geht um viel Geld und CL-Startplatz
Im Finale geht es auch um einen dicken finanziellen Jackpot. Der Sieger erhält vom Europäischen Fußballverband (UEFA) neun Millionen Euro, der Verlierer immerhin noch 5,2. Mit den Einnahmen aus dem Marktpool sowie aus den Heimspielen könnte es der Triumphator unterm Strich auf Saisoneinnahmen aus der "Millionenliga" von 60 bis 70 Millionen Euro bringen.

Für Italien und Deutschland steht auch der vierte Startplatz in der Königsklasse der Saison 2011/12 auf dem Spiel. Erreichen die Bayern zumindest das Elfmeterschießen, dann geht dieser Platz gemäß UEFA-Fünfjahreswertung an die Bundesliga, ansonsten an die Serie A.

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