Denkwürdige Erstrundenpartie

John McEnroe: "Das ist die größte Werbung, die es je für unseren Sport gegeben hat."
Der US-Amerikaner John Isner hat am Donnerstag das mit Abstand längste Tennismatch der Geschichte gegen den Franzosen Nicolas Mahut mit 6:4 3:6 6:7 (7/9) 7:6 (7/3) 70:68 für sich entschieden.

Die beiden Kontrahenten standen einander in der denkwürdigen Wimbledon-Erstrundenpartie, die am Dienstag begonnen hatte und zweimal wegen Dunkelheit abgebrochen worden war, insgesamt 11:05 Stunden gegenüber.

"Bin ein wenig müde"
Am Ende des Rekordfestivals sank Isner rücklings ins Gras. Es war wie nach einem Triumph im Wimbledon-Finale - aber irgendwie war es ja auch so etwas Ähnliches. Bei der Umarmung am Netz konnten beide kaum noch stehen, und Tränen schienen über ihre Wangen zu kullern.

©Bild: AP/Dave Thompson
©Bild: AP/Dave Thompson

Die Zuschauer bedankten sich für die Darbietung mit minutenlangen stehenden Ovationen. "Ich bin ein wenig müde. Aber wenn man ein solches Match vor so einer Kulisse spielt, dann kann man nicht wirklich müde sein. Die Fans waren einfach fantastisch", meinte der 25-jährige Isner, nachdem er den unterlegenen Mahut lange umarmt hatte.

"Es war mir eine Ehre"
"Er ist ein absoluter Kämpfer. Ich will diesen Tag mit ihm teilen, es war mir eine Ehre", sagte der 2,06-m-Riese über den konsternierten Franzosen, der lange mit einem über den Kopf gezogenen Handtuch sitzen blieb. Der All England Club würdigte die historische Darbietung mit einem Sonderpreis, den Tim Henman und Wimbledon-Siegerin Ann Jones noch auf dem Platz übergaben.

Dennoch war sich auch Mahut bewusst, beim "größten Match bei dem bedeutendsten Turnier der Welt" Geschichte geschrieben zu haben. Und er sei stolz darauf, ein Teil dieser Geschichte zu sein.

Fünfter Satz dauerte über acht Stunden
Der am Mittwoch begonnene Entscheidungssatz dauerte alleine mehr als acht Stunden und damit deutlich länger als das bisher längste Match.

Altstar John McEnroe war von der schier legendären Vorstellung begeistert: "Das ist die größte Werbung, die es je für unseren Sport gegeben hat", jubelte der dreifache Wimbledon-Sieger.

Rekorde über Rekorde
Den bisherigen Rekordsatz hatten Mark Knowles und Daniel Nestor inne, die im Doppel-Viertelfinale von Wimbledon 2006 gegen Simon Aspelin/Todd Perry den entscheidenden fünften Satz nach 193 Minuten mit 23:21 für sich entschieden.

©Bild: Reuters/Suzanne Plunkett
©Bild: Reuters/Suzanne Plunkett

Auch die Bestmarke für die längste Begegnung pulverisierten Isner und Mahut um Längen. Der alte Rekord zwischen den Franzosen Fabrice Santoro und Arnaud Clement im Jahr 2004 in Paris war bei 6:33 Stunden gestanden.

Insgesamt 215 Asse
Noch einen Rekord sicherten sich Isner und Mahut: Von keinem Tennisspieler zuvor waren so viele Asse in einem Match geschlagen worden - 112 von Isner, 103 von Mahut, in Summe also 215. Auf nur 78 war der Kroate Ivo Karlovic im Davis-Cup-Halbfinale 2009 gegen den Tschechen Radek Stepanek gekommen.

Doch nicht nur die beiden Protagonisten waren bereits am zweiten Tag ihrer Begnung in Wimbledon mit ihren Kräften letztlich, sondern auch die Technik, die an ihre Grenzen gestoßen war - die Anzeigetafel versagte beim Stand von 47:47 ihre Dienste.

Am Ende der Kräfte
"Vergleichbares wird nie wieder passieren, niemals", prophezeite Isner, der Erschöpfung nahe, bereits nach der zweiten Unterbrechung am Mittwoch. Mahut wollte eigentlich weiterspielen, "aber ich konnte den Ball nicht mehr sehen", sagte der 28-Jährige.

©Bild: Reuters/Suzanne Plunkett
©Bild: Reuters/Suzanne Plunkett

Auch Schiedsrichter Mohamed Lahyani zeigte Anzeichen von Entkräftung. Er verließ zwischendurch seinen Stuhl, um seine Beine zu strecken und zu trinken; auch seine Stimme wurde heiser. Dann folgte der zweite Abbruch. Davor hatte es während des gesamten Matches nur zwei Breaks gegeben.

Vergebene Chancen
Aufschlagkanone Isner hatte beim Stand von 9:8 einen Matchball vergeben, bei 33:32 gleich zwei und kurz vor dem neuerlichen Abbruch beim Stand von 59:58 einen weiteren. Mahut vergab beim Stand von 50:50 zwei Breakchancen.

Am Donnerstag wurde das Spiel beim Stand von 59:59 fortgesetzt, und Isner verwertete schließlich seinen "ersten" Matchball zum 70:68.

Mahut spielt 313 Games
Mahut steckten bereits drei Qualifikationsmatches in den Knochen. Darunter jenes gegen den Briten Alex Bogdanovic, das er im entscheidenden Satz mit 24:22 gewann, und die Fünfsatzpartie gegen Stefan Koubek. Insgesamt spielte der Weltranglisten-148. heuer in Wimbledon 313 Games und musste sich dennoch vor der zweiten Runde verabschiden.

Zum Vergleich: Roger Federer absolvierte bei seinem Antreten 2009 inklusive Turniersieg 239 Games.

Rekordflut

Bisherige Rekorde im Herren-Profitennis und die neuen Bestmarken nach dem Erstrundenmatch Isner gegen Mahut in Wimbledon:

Längstes Match:

  • 6:33 Stunden (Santoro - Clement, Paris 2004)
  • Isner/Mahut: 11:05 Stunden

Meiste Games:

  • 112 (Gonzalez - Pasarell, Wimbledon 1969)
  • Isner/Mahut: 183

Längster fünfter Satz bei Grand Slam (Games):

  • 21:19 (Roddick - El Aynaoui, Australien 2003)
  • Isner/Mahut: 70:68 (8:11 Stunden)

Längster fünfter Satz in Wimbledon (Games):

  • 20:18 (Philippoussis - Schalken, 2000)
  • Isner/Mahut: 70:68

Längster Satz insgesamt bei Grand Slam (Games):

  • 25:23 (Newcombe - Riessen, US Open 1969)
  • Isner/Mahut: 70:68

Einzel-Asse in einem Match:

  • Karlovic 78 (gegen Stepanek, Davis-Cup 2009)
  • Isner 112, Mahut 103

Kombinierte Asse:

  • 96 (Karlovic - Stepanek, Davis-Cup 2009)
  • Isner/Mahut: 215

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