"Würde auch Kohl starten lassen"

"Bei einer Tour de France oder beim Giro standen und stehen weit prominentere Ex-Doper am Start."
Riccardo Ricco und Emanuele Sella führen die Österreich-Rundfahrt als Spitzenduo in Richtung Königsetappe am Mittwoch (live in ORF1 und im Livestream) auf den Großglockner. Das frühere Dopingtandem aus Italien spaltet allerdings die Meinungen der neutralen Beobachter.

Haben die beiden eine zweite Chance verdient? Sollen sie in Österreich starten dürfen bzw. kann es ihnen verboten werden? Tour-Direktorin Ursula Riha nahm im ORF.at-Interview dazu Stellung und erklärte auch, warum sie sogar Bernhard Kohl die Teilnahme nicht verbieten würde.

ORF.at: Mit Sella und Ricco führen zwei frühere Dopingsünder Ihre Rundfahrt an. Sind Sie mit diesem Zwischenstand glücklich?

Riha: Das ist für mich zu akzeptieren. Die beiden haben Unrechtes getan, dafür eine Strafe bekommen und diese auch abgesessen. Damit Schluss, basta. In Wahrheit kann ich als Veranstalter gar nichts dagegen tun. Bei einer Tour de France oder beim Giro standen und stehen weit prominentere Ex-Doper am Start.

ORF.at: Als Veranstalterin stünde es Ihnen aber frei, gewisse Teams nicht einzuladen. Und doch haben Sie es getan. Warum?

Riha: Warum nicht? Dass Ceramica mit Ricco beim Giro nicht dabei war, lag einzig daran, dass es andere nationale Teams gab, die vom Veranstalter bevorzugt wurden. Sie haben ein große Vielzahl an Teams und eine andere Auswahl getroffen. Mit Doping hatte das nichts zu tun. Alexander Winokurow zum Beispiel fuhr den Giro genauso wie gerade die Tour. Wo ist da der Unterschied?

ORF.at: Dennoch bleibt Ricco in einem schiefen Licht. Selbst Fahrer wie Stefan Denifl sprachen sich gegen seine Teilnahme aus.

Riha: Das ist ein österreichisches Problem. In Frankreich oder Italien gibt es zu diesem Thema keine Diskussionen. Niemand beschwerte sich über Winos Start, schon gar nicht über Ivan Basso - gleicher Star, gleiches Thema. Sie haben ihre Strafe abgebüßt und wieder ihre Lizenz. So wie Ricco. Natürlich ist zu hoffen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben.

ORF.at: Sie sprechen sich für eine zweite Chance für Dopingsünder aus?

Riha: So ist es. Sonst könnte man sie gleich lebenslang sperren. Dann hätten sie keine Möglichkeit mehr, auch nur an irgendwelchen Rennen teilzunehmen. Da ihre Strafe aber abgelaufen ist, sind wir mit ihnen konfrontiert. Ich kann sie nicht ausschließen. Also müssen wir einfach einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Leider wird das in Österreich zu sehr hochgespielt.

ORF.at: Was nach der Affäre um Bernhard Kohl nicht wirklich verwunderlich ist.

Riha: Ganz ehrlich, mir haben die Aussagen von Kohl mehr wehgetan als die verbüßte Dopingstrafe von Ricco. Und immer noch kriegt Kohl in den Medien eine Plattform, um über andere Fahrer zu urteilen. Das schmerzt mich so richtig. Solche Aussagen würde ich mir nicht zu machen trauen. Zwei Jahre Berufsverbot sind Strafe genug.

ORF.at: Würden Sie sich auch über Kohls Start bei der Österreich-Rundfahrt freuen?

Riha: Die Frage ist, ob sich die anderen Fahrer nach seinen Aussagen darüber freuen würden. Er ist jetzt vier Jahre gesperrt. Würde er danach mit einer eingeladenen Mannschaft antreten, müsste ich es genauso akzeptieren. Ich würde ihn starten lassen. Da ist kein Unterschied zu anderen Fahrern. Ich muss die Sache neutral beleuchten.

ORF.at: Könnten Sie ihm die Teilnahme denn verbieten?

Riha: Dagegen spricht das österreichische Arbeitsrecht. Es steht mir nicht zu, einem Fahrer, der verurteilt wurde und sich rehabilitieren und in die Gesellschaft zurückkehren will, diese Chance nicht zu geben. Davon kann und will ich ihn nicht ausschließen.

ORF.at: Wie sehen Ihre Anti-Doping-Maßnahmen aus?

Riha: Wir haben mit den Teams strenge Verträge abgeschlossen. Sollte einer ihrer Fahrer vor, während oder nach der Rundfahrt den Ruf unserer Veranstaltung durch solche Vergehen schädigen, dann werden sie zur Kasse gebeten. Es handelt sich um einen fünfstelligen Betrag. Dazu haben sich alle 18 Teams bereiterklärt. Zusätzliche Kontrollen kann ich jedoch nicht anorden, das liegt im Bereich der Anti-Doping-Agenturen.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at aus Kitzbühel

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