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„Ihm tut alles weh“
Steiner, vor vier Jahren in Peking noch Olympiasieger, verbrachte die Nacht im olympischen Dorf und fuhr am Vormittag erneut in die Klinik, damit die Untersuchungen fortgesetzt werden konnten. Dem gebürtigen Österreicher war am Dienstagabend im Wettkampf der superschweren Gewichtheber die 196 Kilogramm schwere Hantel in der Disziplin Reißen auf Nacken und Schulter gefallen.
Wettkampf abgebrochen
Er stürzte und musste erst von der Last befreit werden. Rund eine Minute lag der 29-Jährige auf der Heberbühne. Danach brach er den Wettkampf ab und ließ sich zur Sicherheit in die Klinik bringen. Steiner klagte nach dem Zwischenfall über Schmerzen im Rückenbereich. Der aus Obersulz im Weinviertel stammende Steiner hat sich aber offensichtlich keine Folgeschäden wie Wirbelverletzungen zugezogen.
„Er hätte gerne weitergemacht, aber die Gesundheit geht vor. Er ist sehr enttäuscht.“ Mit 192 Kilogramm im Reißen wäre sein Ziel ohnehin fast außer Reichweite gewesen. Die fast 10.000 Zuschauer applaudierten Steiner, als er Dienstagabend aus der Arena geleitet wurde - diesmal nicht als großer und glücklicher Held wie 2008 bei seinem Olympiasieg in Peking, sondern als tragischer Held.
„So was passiert in unserer Sportart“
Mantek war erleichtert, dass schwerwiegende Folgen ausgeschlossen werden konnten. „Zuerst musste man ja das Schlimmste befürchten“, meinte der Sportdirektor der deutschen Gewichtheber und ergänzte: „So was passiert in unserer Sportart leider. Das kann man nicht ausschließen. Es gab auch schon schlimmere Ausgänge.“
Der Schreck war in der deutschen Gewichtheberszene auch noch am Tag darauf allgegenwärtig. „Das war heftig“, meinte Steiners Mannschaftskollege Jürgen Spieß, der den Unfall als Zuschauer in der ExCeL-Arena verfolgt hatte. Auch Verbandspräsident Claus Umbach war erschüttert: „Es hätte wirklich schlimm ausgehen können.“ Umbach glaubt, manch anderer Athlet wäre gar nicht in die Lage gekommen. „Das ist Matthias. Er ist ein Beißer, gibt kein Kilo verloren. Er hätte die Hantel schon früher fallen lassen können ohne Folgen. Aber er wollte das Gewicht unbedingt halten.“
Kein Grund zum Aufhören
Dass Steiner aufgrund des Unfalls seine Karriere beenden könnte, glaubt Umbach nicht. „Er kann mit Sicherheit weitermachen. Ob er aber noch einmal bis Olympia 2016 mitmacht, das weiß ich nicht.“ Der Olympiasieger von Peking will sich vermutlich nicht mit einem Unfall verabschieden, dessen Bilder durch alle Zeitungen gingen und über alle TV-Kanäle flimmerten. EM und WM im nächsten Jahr sind noch ein Thema.
Steiner selbst hatte wenige Tage vor seinem Wettkampf einen Rücktritt ausgeschlossen. „Ich fühle mich nicht so alt, dass ich jetzt aufhören muss“, teilte der gebürtige Österreicher mit. Das deutsche Gewichtheben braucht auch weiterhin eine Zugnummer. Ohne Steiner gibt es derzeit keine Medaillen. „Die Dichte in der Spitze ist deutlich höher geworden. Machst du fünf Kilo weniger, fällst du gleich fünf Plätze nach unten“, stellte Umbach bestürzt fest.
Gold an Iraner „Salimi“
Den Applaus als stärkster Mann der Welt holte sich der Iraner Behdad Salimikordasiabi ab. „Salimi“ setzte sich mit einer Zweikampfleistung von 455 Kilogramm vor seinem Landsmann Sajjad Anuschirawani Hamlabad (449 kg) sowie dem Russen Ruslan Albegow (448 kg) durch. Bei seinem Angriff auf den Weltrekord von 472 Kilogramm scheiterte der 22-Jährige.
Gold schien für Steiner schon vorher außer Reichweite zu sein. Grund für seine niedrigere Erwartungshaltung war eine Verletzung, die er sich im September des Vorjahres zugezogen hatte: Einriss der Quadrizepssehne im linken Bein - hört sich vielleicht eher harmlos an, im Gewichtheben ist dieser Bereich zwischen Knie und Oberschenkel aber der am meisten beanspruchte.
Nach Verletzung im Trainingsrückstand
Steiner, 2004 in Athen noch Siebenter für Österreich, musste sich einer Operation unterziehen, sonst wäre seine Karriere wohl zu Ende gewesen. Die 461 Kilogramm, die er beim Olympiasieg in Peking im Zweikampf zur Hochstrecke gebracht hat, waren diesmal nicht erreichbar. „Wer verlangt, dass ich Weltrekord stoße, der hat keine Ahnung von diesem Sport“, betonte der Titelverteidiger. „Ich habe nicht das Fundament von damals.“ Mehrere Trainingsmonate fehlen ihm.
Seine Saisonbestleistung stand seit Platz zwei bei der EM im April in Antalya bei 424 Kilogramm. Neue Energie hatte sich der 140-Kilogramm-Koloss, der seit seiner Jugend an Diabetes leidet, in der alten Heimat geholt. Zwei Wochen schuftete Steiner zuletzt in seiner unmittelbaren Olympiavorbereitung im Bundessportzentrum Schielleiten in der Steiermark. „Ich habe Ruhe gebraucht“, erklärte der gelernte Installateur, der in Deutschland zum Superstar geworden ist.
Unvergessene Momente in Peking
Sportler des Jahres, Silbernes Lorbeerblatt, Talkshowauftritte - mit Auszeichnungen war Steiner nach seinem überraschenden Gold nur so überhäuft worden. Die Tränen des Kraftprotzes auf dem Siegespodest samt Foto seiner ein Jahr davor bei einem Autounfall verstorbenen Frau Susann sind unvergessen. Gerne spricht Steiner nicht mehr darüber. „Die Geschichte ist auserzählt“, sagt der Olympiasieger.

Mittlerweile wird Steiner von seiner jetzigen Frau Inge Posmyk begleitet, mit der er in Heidelberg lebt. Mit der TV-Moderatorin, die nun Steiner heißt, hat er einen zweijährigen Sohn namens Felix.
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Publiziert am 08.08.2012