Am dreifachen WM-Torschützen, der mit einem Handspiel in der Nachspielzeit der Verlängerung das 2:1 Ghanas verhindert hatte, scheiden sich jedenfalls die Geister. War der 23-Jährige ein Betrüger, ein Schummler? Oder war es heldenhaft, dass sich der Stürmer für das Team geopfert hat?
"Wir sollten nicht übertreiben", riet Uruguays Trainer Oscar Tabarez. "Ich glaube, es war ein instinktives Verhalten. Als er das Handspiel gemacht hat, wusste er nicht, was danach beim Elfmeter passiert." Ghana-Coach Milovan Rajevac war hingegen eher sprachlos: "Ich weiß nicht, was ich ihm jetzt sagen würde." Hätte Suarez nicht die Hand zu Hilfe genommen, wäre es in der 120. Minute 2:1 für Ghana gestanden und die Afrikaner wären eine Runde weiter.
Wie ein Torhüter
Suarez hatte einen Ball von Dominic Adiyiah auf der Linie wie ein Torhüter mit der Hand abgewehrt. Schiedsrichter Olegario Benquerenca aus Portugal zeigte dem Angreifer Rot und gab den fälligen Elfmeter für Ghana.
Es war die erste Minute der Nachspielzeit der Verlängerung, der letzte Schuss vor dem Elfmeterkrimi, die letzte Chance, das Match vor der Lotterie vom Elferpunkt zu entscheiden. Asamoah Gyan, der bei der WM schon zwei Elfer verwandelt hatte, knallte den Ball gegen die Latte - der Anfang vom Ende für Afrikas Hoffnungen auf den ersten Einzug eines afrikanischen Teams in ein WM-Halbfinale.
"Das war es wert"
"Das war es wert, hinausgestellt zu werden", sagte der Ajax-Stürmer und konnte sich die Anspielung auf das Handtor von Diego Maradona 1986 bei der WM in Mexiko nicht verkneifen. "Am Ende ist die Hand Gottes jetzt meine." Natürlich sei er traurig, dass er vom Platz gestellt wurde und nun gesperrt wird. "Aber da gab es keine andere Möglichkeit."
"Diesmal hat er kein Tor geschossen, sondern eins gehalten. Ich denke, dass er das Spiel gerettet hat", sagte Suarez' offensiver Nebenmann Diego Forlan.
Nur ein Spiel Sperre
Zumindest die Disziplinarkommission der FIFA zeigte sich am Samstag gnädig und sperrte Suarez nur für ein Spiel, der Mindeststrafe nach einer Roten Karte. Somit ist der 23-Jährige im Halbfinale am Dienstag gegen die Niederlande nicht mit dabei. Im Finale oder im Spiel um Platz drei könnte Suarez wieder mitwirken.
"Der Ball war drinnen"
Unglücksraben Gyan fand nach Spielschluss zu seinem verschossenen Elfer nur wenige Worte: "Ich habe nichts zu sagen. So ist das Spiel." Allerdings war er der Ansicht, dass es gar nicht so weit hätte kommen müssen: "Der Ball (von Adiyiah, Anm.) war drinnen, er hat die Linie überquert. Aber der Schiedsrichter hat das Tor nicht gegeben. Wenn es unser Tag gewesen wäre, hätte der Referee das gesehen und Tor gepfiffen. Das war alles großes Pech."
Zu Suarez gab sich Gyan philosophisch. "Er ist jetzt der Held in seinem Land und ich habe leider den Elfer vergeben. So ist Fußball."
Das "hellblaue Wunder"
In Uruguay wurde nach dem ersten Halbfinal-Einzug seit 40 Jahren das "hellblaue Wunder" ("El Pais") überschwänglich gefeiert. "Die Welt respektiert uns wieder", schrieb "La Republica". Und für Trainer Tabarez, bei dem Glückwunsch-SMS aus der Heimat während der Pressekonferenz reihenweise eintrudelten, sind die Lobeshymnen zusätzlicher Antrieb. "Ich hoffe, dass die Leute zu Hause drei oder vier Tage feiern werden", sagte er. "Wir sind überglücklich und empfinden die Feiern in der Heimat als Extramotivation."
Abreu wie Panenka
Zwar war der Auftritt von Suarez wohl der entscheidende, der letzte Akt aber blieb Sebastian Abreu vorbehalten. Jenem Mann, den sie in Uruguay nur "El Loco" nennen, den Verrückten.
Der 33-Jährige marschierte beim Elferschießen vom Mittel- zum Elferpunkt, vor dem letzten Schuss im Viertelfinale dauerte das eine kleine Ewigkeit. Der Mann mit der langen dunklen Mähne und den auffälligen Tattoos legte sich den Ball zurecht, ging zehn Schritte zurück, lief an und verwandelte eiskalt im Stil des legendären Antonin Panenka: Er schupfte den Ball in die Mitte von Ghanas Tor.
Dass der Wandervogel, der schon bei 18 Clubs spielte, Elfmeter auf diese Art verwandelt, ist übrigens keine Seltenheit. "Manche sagen, das ist verrückt. Ich nenne es klasse", sagte sein Coach.
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