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Dramen im Zeichen der fünf Ringe
Zwei spektakuläre Wochen sorgten für unzählige sportliche Dramen im Zeichen der fünf Ringe. ORF.at zeigt nach der Schlussfeier großartiger Spiele noch einmal einige der emotionalsten Momente im Kampf um die Medaillen.
Sitzstreik nach Niederlage im Fechten
Der Helm lag neben ihr, über die Schultern hatte sich Fechterin Shin A Lam ein weißes Handtuch gelegt. Während Südkoreas Protest wegen der umstrittenen Halbfinal-Niederlage gegen die Deutsche Britta Heidemann lief, kauerte die Verliererin einsam am Rand der Planche und konnte es nicht fassen. „Ich habe jahrelang gearbeitet und versucht, eine olympische Medaille zu bekommen, und ich habe sie innerhalb von einer Sekunde verloren. Es ist unmöglich, das zu akzeptieren.“ Als der Protest abgeschmettert war und sie ein Funktionär aufforderte, die Planche zu verlassen, brach Shin wie nach dem Ende des Gefechts in Tränen aus.
Spannendster Triathlon der Geschichte
Im engsten Olympiatriathlon aller Zeiten holte die Schweizerin Nicola Spirig Gold vor der Schwedin Lisa Norden. Brust an Brust stürzten Spirig und Norden nach insgesamt 51,5 km Schwimmen, Radfahren und Laufen durchs Zielband, fielen erschöpft zu Boden und schauten einander ratlos an. Für die beiden begannen damit im Hyde Park endlose Minuten des Wartens. Lange werteten die Kampfrichter die Zielfotos aus, ehe sie ihr Urteil fällten: Gold für Spirig, Silber für Norden. Beinahe zwei Stunden waren sie unterwegs gewesen, am Ende entschieden neun Hundertstelsekunden oder 15 Zentimeter.
Dramatik pur in Old Trafford
Unzählige Klassiker mit Manchester United in der Premier League und Champions League hat das legendäre Old-Trafford-Stadion schon erlebt. Das olympische Frauen-Halbfinale im Fußball zwischen den USA und Kanada stand ihnen an Dramatik um nichts nach. Nachdem die Kanadierinnen in der regulären Spielzeit dreimal in Führung gegangen waren und immer wieder den Ausgleich hatten hinnehmen müssen, schlugen die US-Frauen in der 123. Minute entscheidend zu. Alex Morgan köpfelte den Ball wenige Sekunden vor dem Abpfiff und damit vor einem Elfmeterschießen ins Netz und ebnete den Amerikanerinnen damit den Weg zu Gold.
Segel-Blech wegen ein paar Metern und vier Punkten
Nico Delle-Karth und Niko Resch kamen einer Medaille für Österreich am nächsten. Nach 15 Wettfahrten in der 49er-Klasse und dem abschließenden Sieg im Medal Race verpassten der Tiroler Steuermann Delle-Karth und sein Kärntner Vorschoter Resch die Bronzemedaille mit 118 Punkten um vier Zähler. Die Dänen Allan Nörregaard/Peter Lang schnappten ihnen das ersehnte Edelmetall buchstäblich in letzter Sekunde weg, weil sie im Finish des letzten Rennens vor Weymouth noch an den schon als Olympiasieger feststehenden Australiern vorbeigezogen waren.
Zwei Zehntelpunkte fehlen auf Bronze
Tania Cagnotto wurde im Wasserspringen vom 3-m-Brett schmerzlich vor Augen geführt, wie eng bei Olympischen Spielen Erfolg und Misserfolg beieinander liegen. Nach sechs Sprüngen im Finale fehlten der Südtirolerin mit einer Gesamtwertung von 362,20 nur 0,20 Punkte auf Bronze, das an die Mexikanerin Laura Sanchez Soto ging. Detail am Rande: Die Medaille wäre für Cagnotto auf den Tag genau 40 Jahre nach dem ersten olympischen Edelmetall für ihren Vater Giorgio gekommen. Er war ebenfalls Wasserspringer und insgesamt vierfacher Medaillengewinner bei Olympia.
Last-Minute-Entscheidungen im Handball
Dass Sieger und Verlierer beim Handball oft erst in den letzten Spielsekunden ermittelt werden, ist nichts Neues. Spannender als die K.-o.-Phasen im olympischen Männer- und Frauen-Turnier kann es aber auch in dieser Sportart kaum zugehen. So wurden etwa im Viertelfinale der Männer sämtliche Partien in der letzten Minute entschieden. Beide Seiten dieser Dramatik lernten die Schweden kennen. Im Halbfinale rangen sie Ungarn mit 27:26 nieder. Das Endspiel verloren die Skandinavier gegen die routinierten Franzosen mit 21:22.
Schock nach Lius Blitz-Aus in ganz China
Bei der allerersten Hürde und damit nach nur wenigen Metern im Vorlauf fiel Chinas Superstar Liu Xiang auf die Tartanbahn des Londoner Olympiastadions. Der Olympiasieger von Athen 2004, der die Entscheidung bei „seinen“ Sommerspielen von Peking 2008 wegen einer Verletzung verpasst hatte, wurde damit erneut zum Pechvogel der Nation. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die Fotos von Lius Pech über die Sozialen Netzwerke in China. Medien berichteten, dass Onlineportale unter dem Ansturm der Nutzerkommentare zusammenbrachen. Der Hürdensprinter muss nun erneut an der Achillessehne operiert werden.
Filzmosers fataler Fehlgriff
Ein unerlaubter Griff auf das Bein der Italienerin Giulia Quintavalle riss Judoka Sabrina Filzmoser in London aus ihren Medaillenträumen. Die Oberösterreicherin verlor in der Hoffnungsrunde der Klasse bis 57 kg wegen Disqualifikation und landete damit nur auf Rang sieben. Schon vor vier Jahren in Peking war Filzmosers Anlauf auf die ersehnte Medaille mit einer Erstrundenniederlage ebenso unerwartet wie abrupt gestoppt worden. „Im Moment fühle ich nichts“, sagte eine der größten ÖOC-Hoffnungen nach dem bitteren Aus.
Happy End nach unglaublicher Panne
Die Panne beim Hammerwurf der Frauen ging um die Welt. „Es ist passiert, was noch nie passiert ist“, sagte ein IOC-Sprecher. Erst drei Stunden nach dem Wettkampf hatte die Deutsche Betty Heidler es schwarz auf weiß: dritter Platz. 80.000 Zuschauer im Stadion und Millionen vor den Fernsehern hatten gesehen, dass ihr fünfter Versuch weiter gegangen war als die angezeigten 72,34 m. Der Grund war, dass Heidlers Wurf mit 77,13 m auf den Zentimeter so weit wie der vierte der vor ihr werfenden Russin Tatjana Lisenko war. Das elektronische Messsystem ist so programmiert, dass es bei zwei exakt gleichen Ergebnissen hintereinander automatisch einen Fehler annimmt.
Steiner mit Glück im Unglück
Der Schock saß tief. Eine 196-kg-Hantel fiel Deutschlands Gewichtheberhelden Matthias Steiner bei seinem Kampf um eine Olympiamedaille in den Nacken. Steiner taumelte, fiel, stand aber selbstständig wieder auf. Untersuchungen im Krankenhaus im olympischen Dorf ergaben keine schwereren Verletzungen. Der gebürtige Niederösterreicher, Olympiasieger von Peking 2008, kann seine Karriere fortsetzen. Nicht nur die fast 10.000 Fans in der ExCel Arena waren fassungslos gewesen. Steiners Frau Inge hatte sogar um das Leben des 29-Jährigen gebangt. „Das hätte auch anders ausgehen können. Wenn 196 Kilo in den Nacken gehen, hätte das ein normaler Mensch nicht überlebt.“
Zu früh gefreut
Die Herren Jarred Connaughton, Oluseyi Smith, Justyn Warner und Gavin Smellie jubelten im Rahmen der großen Jamaika-Show über 4 x 100 m nach dem Zieleinlauf über ihre sensationell errungene Bronzemedaille - allerdings zu früh. Die Kanadier wurden wenige Augenblicke später wegen einer Linienübertretung disqualifiziert. Die Enttäuschung war grenzenlos - Warner brach noch auf der Bahn sitzend in Tränen aus. „Wir sind so ein großartiges Rennen gelaufen und haben alles gegeben - es ist fürchterlich“, schluchzte er.
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Publiziert am 14.08.2012