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Paul Neumann machte den Anfang
In der 116-jährigen Geschichte der Sommerspiele gab es allerdings auch so manche Sternstunde in Rot-Weiß-Rot. Einige davon fanden zwar in den Urzeiten der Spiele statt, zählen aber selbstverständlich auch zu der Statistik des Österreichischen Olympischen Comites (ÖOC). Ohne die Zwischenspiele im Jahr 1906 in Athen und den 1928, 1936 und 1948 ausgetragenen Kunstbewerben hält Österreich vor den 30. Spielen bei 89 Medaillen - 20 davon in Gold, 34 in Silber und 35 in Bronze.
Über die ersten Olympiasieger durfte sich Österreich gleich 1896 freuen. Der damals 20-jährige Paul Neumann eroberte am 11. April über 500 m Freistil in 8:12,6 Minuten die Goldmedaille. Kurz danach emigrierte Neumann in die USA, studierte in Chicago Medizin und holte als Dr. Paul Newman mehrere US-Meisterschaften sowie diverse Weltrekorde. In Athen noch erfolgreicher war allerdings Adolf Schmal. Der Wiener gewann gleich drei Medaillen im Radfahren (Gold im Zwölfstundenfahren sowie Bronze im 10-km-Bahnfahren und 333,33-m-Zeitfahren).

Späte Ehre für einen Turner
Acht Jahre danach war bereits der bisher erfolgreichste österreichische Olympionike der Geschichte am Werk. Julius Lenhart gewann in St. Louis zweimal Gold (Einzelmehrkampf, Mannschaftswertung) und einmal Silber (Neunkampf). Die Erfolge des Turners wurden allerdings lange in den ÖOC-Statistiken nicht berücksichtigt. Da im Turnen nur Vereinsteilnehmer zugelassen waren, ging Lenhart für ein Team aus Philadelphia an den Start und wurde als US-Amerikaner gewertet.
Erst im Alter von 60 Jahren reklamierte Lenhart, als Österreicher gewertet zu werden. Zehn Jahre nach seinem Tod im Jahr 1962 beschloss auch das ÖOC, „Herrn Julius Lenhart, der im Jahre 1904 zwar als Gastturner für die amerikanische Mannschaft, jedoch als österreichischer Staatsbürger an den Olympischen Spielen teilgenommen hat, in die Annalen des Österreichischen Olympischen Comites als österreichischen Olympiasieger aufzunehmen“.
Starke Söhne und große Töchter
1912 durften in Stockholm erstmals österreichische Damen jubeln. Die 400-m-Kraul-Staffel (Margarete Adler, Klara Milch, Josephine Sticker, Berta Zahourek) gewann mit Bronze die erste Medaille. 1928 wurde Österreich durch Gold im Gewichtheben (Franz Andrysek, Hans Haas) das Land der starken Söhne, ehe die Zeit der großen Töchter anbrach.
Von Deutschland noch abgelehnt, eroberte 1932 in Los Angeles die Grande Dame des heimischen Sports, Ellen Müller-Preis, mit Gold die erste ihrer insgesamt drei Medaillen. 1936 in Berlin, wo außerdem Kanut Gregor Hradetzky zwei Goldmedaillen holte, und 1948 sollten noch zwei in Bronze folgen, womit die 1912 geborene Fechterin Österreichs erfolgreichste Sportlerin bei Sommerspielen ist.
„Fechten ist wie ein schnelles Schachspiel. Um es wirklich zu beherrschen, braucht man schon eine längere Zeit. Wir haben damals auch bis zu acht Stunden täglich trainiert“, erklärte Müller-Preis im Mai 2007 wenige Tage vor ihrem 95. Geburtstag. Knapp ein halbes Jahr später verstarb Müller-Preis, die auch immer wieder für Fairness im Sport plädierte: „Mit der richtigen Auffassung vom Leben hat man auch so Erfolg. Wir haben sehr häufig die Treffer selbst angesagt, denn wir waren fair zueinander. Man sollte lieber verlieren, als unfair zu sein.“

Bauma vom Krankenbett zu Gold
So wie Müller-Preis im Fechten ist auch Herma Bauma Österreichs einzige Olympiasiegerin in der Leichtathletik. 1948 eroberte die damals 33-Jährige im Speerwurf mit der olympischen Rekordweite von 45,57 m Gold. „Ich habe mir selbst nicht viel zugetraut, weil ich im April noch mit Sepsis sechs Wochen im Spital gelegen war. Mit Ach und Krach habe ich am 1. Juli das Limit von 42 Metern erreicht. Ich war eine gute Wettkämpferin und habe bei großen Wettkämpfen immer meine besten Leistungen gebracht, weil ich nervenstark war. Deshalb ist mir im fünften Wurf geglückt, die Finnin noch zu überholen“, erklärte Bauma.
Dieser Triumph blieb der 2003 im Alter von 88 Jahren verstorbenen Baume nicht nur wegen ihrer sportlichen Sternstunde in Erinnerung. „London war das Herausragende, aber weniger der Sieg, sondern der Empfang meiner Kameradinnen in meinem Zimmer. Eine hat ein Stückerl Schokolade gegeben, die andere ein paar Zuckerl und die Dritte hat mir Blumen hingelegt. Das war alles schwer zu bekommen und hat mich sehr beeindruckt“, erinnerte sich Bauma in einer „Sport am Montag“-Sendung im Juni 1976.
Ein Dauersegler und ein gebrochener Bann
Nach Baumas Erfolg musste Österreich zwölf Jahre auf den nächsten Olympiasieger warten. Hubert Hammerer holt mit dem Freigewehr sensationell Gold. 1960 war allerdings auch aus anderer Sicht ein interessantes Jahr. Hubert Raudaschl war erstmals als Ersatzmann dabei. 1968 in Mexiko (Finn) und 1980 in Moskau (Starboot) holte der 69-Jährige jeweils Silber. Viel bedeutender sind allerdings seine bis 1996 insgesamt zehn Teilnahmen (inklusive Rom), die den Segler zum fleißigsten olympischen Sportler aller Zeiten machen.
Die Spiele 1964 in Tokio wurden zum traurigen Kapitel, gab es doch zum einzigen Mal in der ÖOC-Geschichte keine Medaille. Auch in den 70er Jahren blieb Österreich Gold verwehrt, ehe 1980 die damals 23-jährige Elisabeth Theurer im Dressurreiten mit ihrem Pferd Mon Cherie den 20 Jahre andauernden Bann brach. Ihr Triumph brachte ihr allerdings auch Kritik ein, denn die westliche Reiterwelt rief wegen der Afghanistan-Krise zum Boykott auf. „Während der Spiele 2002 waren die USA im Krieg in Afghanistan. Da hat niemand ein Wort darüber verschwendet“, sah sich Max-Theurer Jahre später in ihrer Entscheidung bestätigt.
Ein Goldschmied schreibt Geschichte
Die olympischen 80er Jahre standen ganz im Zeichen von Peter Seisenbacher, der gleich für zwei Sternstunden sorgte. 1984 in Los Angeles wurde der damals 24-Jährige Österreichs erster Olympiasieger im Judo. Seine fünf Kämpfe erledigte der gelernte Goldschmied in insgesamt zwölf Minuten und zehn Sekunden allesamt positiv. „Ich wollte gegen jeden so schnell wie möglich gewinnen, um Kraft zu sparen. Und ich bin dadurch einfach nie müde geworden. Bis zum Finale nicht“, erklärte er damals sein Erfolgsrezept.
Nach zwei schweren Knieoperationen, aber dank Technik, Kampfgeist und Routine verteidigte Seisenbacher als erster Judoka der Geschichte dann den Olympiatitel am 29. September 1988 erfolgreich. „Ich habe mich immer auf meinen nächsten Kampf konzentriert und dass ich volle Wäsche geh’“, erklärte Seisenbacher, der in Seoul auch mit der einzigen Medaille die ÖOC-Ehre rettete.

Österreich mutiert zur Wassernation
Nach der Jahrtausendwende mutierte Österreich zur Wassernation. Die Segler Roman Hagara/Hans Peter Steinacher und der Surfer Christoph Sieber holen in Sydney Gold. 2004 wiederholen Hagara/Steinacher sogar ihr Kunststück. Ein möglicher dritter Olympiasieg blieb dem Duo verwehrt - allerdings nicht aus sportlichen Gründen, denn das IOC strich für 2012 die Tornado-Klasse aus dem Programm. „Wenn Wahnsinnige entscheiden, dann kann so etwas passieren“, war Steinacher vor Peking 2008, wo es nur zu Rang neun reichte, erbost.
Davor wurden 2004 aber noch zum echten rot-weiß-roten Highlight Sicht. Neben Hagara/Steinacher holte auch noch Triathletin Kate Allen 24 Jahre nach Theurer und als vierte ÖOC-Athletin überhaupt bei Sommerspielen nach einem mitreißenden Finish den Olympiasieg. Markus Rogan sorgte über 100 und 200 m Rücken für die ersten Medaillen im Schwimmen seit 92 Jahren. Ebenso gewannen Laser-Segler Andreas Geritzer und Judoka Claudia Heill Silber. Zusätzlich gab es noch einmal Bronze durch Schützen Christian Planer, womit Athen zu den zweitbesten Olympischen Spiele nach Berlin 1936 (4/6/3) avancierte.
Christian Wagner, ORF.at
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Publiziert am 27.07.2012