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Erstmals Olympiatitel verteidigt

Usain Bolt hat bei den Olympischen Spielen von London alle Kritiker eines Besseren belehrt. Der Superstar aus Jamaika stürmte am Sonntag mit der zweitschnellsten Zeit aller Zeiten zu Gold über 100 m. „Ich musste es der Welt zeigen, dass ich der Größte bin“, sagte Bolt, der nun auch über 200 m den Olympiatitel verteidigen und den nächsten Schritt in Richtung Legende setzen will.

Nach 9,63 Sekunden überquerte Bolt unter Jubel und Blitzlichtgewitter der 80.000 Zuschauer die Ziellinie. Nur er selbst war 2009 bei seinem WM-Titel in Berlin um fünf Hundertstel schneller. Mit gewohnter Siegespose ließ sich der Jamaikaner von den Zuschauern feiern, die Genugtuung über den Erfolg war dem 25-Jährigen ins Gesicht geschrieben. Noch bei den jamaikanischen Olympia-Trials hatte Bolt zwei Niederlagen einstecken müssen und damit Zweifel an seiner Fitness genährt.

„Usain, wach auf“

Doch in London (Bolt: „Ich brauche die großen Rennen“) war der Jamaikaner wieder ganz der Alte. Landsmann und Weltmeister Yohan Blake, bei den Trials noch vor Bolt, hatte diesmal das Nachsehen in Form von Silber. Nur auf den ersten 60 Metern hielt der 22-Jährige das Rennen offen, danach war gegen Bolt kein Kraut mehr gewachsen. „Yohan hat mich aufgeweckt, er hat an meine Tür geklopft und gesagt: Usain, wach auf, es ist ein Olympiajahr“, erinnerte sich Bolt an die verpatzte Vorbereitung und die Niederlagen.

Den Weckruf setzte der 25-Jährige in London ideal um. Seine Oberschenkelprobleme ließ er von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, seines Zeichens auch Leibarzt des FC Bayern München, behandeln. Auch mental war Bolt am Tag X in Bestform. Dass es nichts mit einem neuen Weltrekord wurde, ärgerte den Superstar nur ein wenig. „Ich habe nie an die Uhr gedacht, erst auf den letzten 30 Metern ist mir eingefallen: Weltrekord“, so Bolt, „aber es war zu spät, ich konnte nichts mehr machen.“

Sieben unter zehn Sekunden

Auch ohne eine neue Weltbestmarke wurden die Zuschauer im Londoner Olympiastadion mit einer Show der Extraklasse belohnt. Silbermedaillengewinner Blake (9,75) und der drittplatzierte US-Amerikaner Justin Gatlin (9,79) liefen im Sog von Bolt ebenfalls zu Spitzenzeiten. Tyson Gay reichten 9,80 Sekunden nur zu Platz vier. Ein weiterer Beweis, wie schnell es auf der Londoner Tartanbahn zuging: Die ersten sieben Läufer blieben alle unter zehn Sekunden. Nur Asafa Powell war mit 11,99 klar darüber. Doch der ehemalige Weltrekordler erlitt auf den letzten Metern eine Oberschenkelverletzung.

Powell konnte daher seinen Landsleuten Bolt und Blake nur enttäuscht beim Feiern zusehen. Bolt zog nach seinem erfolgreichen Sprint die erwartete Show ab, posierte mit Blake und Maskottchen Wenlock in seiner gewohnten Bogenschützenpose und genoss das Bad in der Menge. Bolt ist der erste Läufer, der seinen 100-m-Titel verteidigen konnte. Der US-Amerikaner Carl Lewis steht zwar ebenfalls als Olympiasieger von 1984 und 1988 in den Statistikbüchern, sein zweites Gold in Seoul „erbte“ er jedoch von Dopingsünder Ben Johnson (CAN).

Wirbel beim Einmarsch

Das Attribut Legende wollte Bolt jedoch für sich noch nicht gelten lassen. „Jetzt muss ich erst die 200 m laufen“, sagte der 25-Jährige, um dann doch zuzugeben: „Es war der nächste Schritt zur Legende.“ Die ist Bolt in seiner Heimat nicht erst seit dem jüngsten Olympiasieg, den er ausgerechnet am Tag vor dem 50-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit der Karabikinsel von Großbritannien feierte. „Ich habe den Menschen zu Hause sicher ein schönes Geschenk damit gemacht“, sagte Bolt.

Leichtathlet Usain Bolt jubeltReuters/Paul HackettBolt schrie seine Freude über Gold in die ganze Welt hinaus

Übrigens: Dass der Jamaikaner überhaupt die Chance dazu bekam, hatte er der fehlenden Zielsicherheit eines Zuschauers zu verdanken. Ein Mann in unmittelbarer Nähe des Sportlereinganges hatte Bolt beim Einmarsch zuerst wüst beschimpft und danach eine Flasche in Richtung des Sprinters geworfen. Das Wurfgeschoss verfehlte jedoch zum Glück ihr Ziel. Der Mann wurde von der Polizei festgenommen und brachte sich damit selbst um die Bolt-Show.

Karl Huber, ORF.at aus London

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Publiziert am 07.08.2012