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Grenzenloser Jubel bei Superstar Bolt

Gold, Silber und Bronze für Jamaika. Der kleine Karibikstaat mit seinen gerade einmal 2,8 Millionen Einwohnern war erst die zweite Nation nach den USA, die in einer Disziplin alle olympischen Medaillen an Land ziehen konnte. Dritter hinter Yohan Blake wurde Warren Weir. Als Speerspitze fungierte auch über 200 m Usain Bolt, der nach 19,32 Sekunden seine zweite Goldmedaille in der Tasche hatte und um große Worte danach nicht verlegen war.

Für Bolt war am Donnerstag ein besonderer Abend in London. Selten zuvor war ihm ein Herausforderer im Vorfeld so gefährlich geworden wie Landsmann Blake vor diesen Spielen. Zweimal hatte der 22-Jährige den um drei Jahre älteren Weltrekordler bei den Trials besiegt und sich damit ins Rennen um den Olympiasieg gebracht. Ein verbaler Schlagabtausch der beiden Favoriten war die Folge. Für Bolt dürfte es ein Weckruf zur rechten Zeit gewesen sein.

Der Titelverteidiger musste auf der Zielgerade aber beißen, um seinen Vorsprung von zwölf Hundertstel ins Ziel zu retten. Beim Einlauf legte er nach einem Blick auf Blake den Zeigefinger demonstrativ auf die Lippen. Blake musste sich wie schon über 100 m mit Silber in 19,44 Sekunden begnügen. Bolt dagegen küsste die ziegelrote Bahn im Olympiastadion und gestand dann: „Ich habe mein Herz gegeben. Ich bin sehr stolz. Das war es, was ich hier erreichen wollte. Und ich habe es geschafft.“

Usain BoltAPA/EPA/John G. MabangloBolt ließ seine Konkurrenten verstummen

An Lewis vorbeigestürmt

Dass er den eigenen Weltrekord über 200 m um 13 Hundertstel verfehlt hatte, war egal und vermochte die Stimmung der 80.000 Zuschauer im Stadion nicht zu trüben. Immerhin war es dem 25-Jährigen gelungen, als erster Athlet in 112 Jahren beide Sprintstrecken bei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen zu gewinnen, also beide Titel zu verteidigen. Das historische Double war einst nicht einmal dem US-Giganten Carl Lewis gelungen, an dem Bolt nun vorbeistürmte.

Lewis fehlten 1988 in Seoul ganze vier Hundertstel zum zweiten 200-m-Gold, nachdem er seinen Titel über 100 m verteidigt hatte. Seit 1900 sind beide Strecken im olympischen Programm. Einem neuen Weltrekord trauerte Bolt deshalb erst gar nicht nach - zu groß war die Freude über das Sprintdouble. „Ich dachte, er (der Weltrekord, Anm.) wäre möglich. Ich war schnell, aber nicht fit genug“, sagte Bolt. Immerhin hatte er nach dem Rennen noch Kraft für ein paar Liegestütze auf der olympischen Tartanbahn.

„Der größte lebende Athlet“

Auch um Worte war Bolt, der insgesamt nun bei fünf Goldmedaillen hält, nicht verlegen. „Ich bin nun eine lebende Legende, der größte lebende Athlet. Ich bin in der gleichen Kategorie wie Michael Johnson, ich fühle mich geehrt“, diktierte er in die Mikrofone der Reporter. Von einer anderen Leichtathletik-Legende war Bolt schon vor der Entscheidung geadelt worden: „Wenn er einmal in Schwung ist, kann ihn nichts und niemand mehr stoppen“, wusste Ex-Star Edwin Moses, der zweifache Olympiasieger und US-Seriensieger über 400 m Hürden.

Auf die Euphoriebremse stieg dafür Jacques Rogge, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der sagte: „Die Karriere von Usain Bolt muss man beurteilen, wenn sie beendet ist. Wenn er verletzungsfrei bleibt und seine Motivation behält, kann er eine Legende werden. Eine Ikone ist er aber schon.“ Und noch sind die Spiele für Bolt nicht zu Ende. Am Samstag wird er mit der 4x100-m-Staffel wie schon in Peking vor vier Jahren seine dritte Goldmedaille abholen - daran gibt es keinen Zweifel.

Michael Fruhmann, ORF.at

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Publiziert am 11.08.2012