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ÖOC-Pleite überschattet alles
Neben den Österreichern sorgten asiatische Badminton-„Betrüger“, pessimistische Prognosen und die ewige Diskussion über freie Sitzplätze in den Stadien für negative Schlagzeilen. ORF.at fasst die Flops des Londoner Sommers 2012 zusammen.
Österreich
Die rot-weiß-rote Fahne wurde in London nur beim Einzug der Athleten ins olympische Dorf aufgezogen. Bei Siegerehrungen blieb die Flagge im Regal. Erstmals seit 1964 kehrten die österreichischen Sportler ohne Medaille von Sommerspielen heim. Die Feiern im Österreich-Haus blieben diesmal aus. Mit 17 Top-Ten-Plätzen blieb die Bilanz auch in dieser Statistik hinter den Spielen 2008 in Peking zurück. Damals schafften es heimische Sportler 30-mal unter die besten zehn.
Rot-weiß-rote Medaillenhoffnungen
Während manche Außenseiter aus Österreich ihre Erwartungen übertreffen konnten, blieben die im Vorfeld als Medaillenkandidaten gehandelten heimischen Sportler in London blass. Von Judoka Ludwig Paischer über die Kanutinnen Corinna Kuhnle, Yvonne Schuring und Viktoria Schwarz bis hin zur Tennisabordnung Jürgen Melzer und Tamira Paszek - alle zerbrachen an der Erwartungshaltung in der Heimat. Dass teilweise auch Pech mit im Spiel war, passte ins Bild.

Markus Rogan
Der Abschied von Österreichs erfolgreichstem Schwimmer von Olympia glich einem Ritt auf einer Highspeed-Rutsche. Zuerst noch strahlender Fahnenträger, setzte sich der 30-Jährige mit einem unglücklichen Radiointerview ins Fettnäpfchen. Die folgende Debatte über den nötigen Hirnschmalzanteil zum Erfolg verhinderte eine ruhige Vorbereitung auf die 200 m Lagen. Eine missglückte Wende und ein allzu gestrenger Wettkampfrichter machten aus dem erfolgreichen „Großmaul“ einen der größten Verlierer der Spiele 2012.
Schuldzuweisungen
Für eine österreichische Tageszeitung waren die Österreicher zumindest „Olympiasieger im Hackl-Werfen“. Je mehr die heimische Medaillenpleite Gewissheit wurde, umso mehr begannen die gegenseitigen Schuldzuweisungen. ÖOC gegen Bundesminister, Bundesminister gegen Sportler, Medien gegen alle. Keiner wollte schuld sein am Fehlen von Edelmetall. Ein Ende des gegenseitigen „Hackl-Werfens“ ist vorerst nicht abzusehen.
Ticketdiskussion
Obwohl die britischen Zuschauer und Olympiafans aus aller Welt die Sportstätten stürmten, beherrschte das Thema leere Sitze auf den Tribünen zwei Wochen lang die Gastgeber. Zahlreiche Sponsoren ließen die zur Verfügung gestellten Tickets verfallen. Blöd nur, dass genau diese Sitze meist genau im Blickfeld der Fernsehkameras zu sehen waren. All jene, die keine Tickets mehr für Olympia ergattern konnten, waren sauer. Freuen durften sich nur die zur Sicherheit abkommandierten Soldaten. Die konnten als Platzhalter zumindest ein wenig Olympia genießen.

Badminton-„Betrüger“
In Österreich waren die Badminton-Bewerbe, trotz zweier heimischer Athleten, sportlich nur ein Nebenthema. Und trotzdem sorgten ausgerechnet acht Spielerinnen aus China, Indonesien und Südkorea für den größten Skandal der Spiele. Die asiatischen Paarungen versuchten, sich durch absichtliche Niederlagen in der Vorrunde leichtere Gegnerinnen in der K.-o.-Phase zu erspielen. Das IOC griff gegen die vier Duos hart durch. Der olympische Ausflug war für die Asiaten wegen des unsportlichen Verhaltens vorzeitig zu Ende.
Kampfrichterchaos
Die Kampfrichter hatten in London kein leichtes Leben und griffen nur allzu oft unglücklich in das Geschehen ein. Proteste gegen die Entscheidungen standen an der Tagesordnung. Im Fechten stand beim Duell zwischen der Deutschen Britta Heidemann und Südkoreas Shin A-Lam mit Barbara Csar auch eine Österreicherin im Mittelpunkt.
Eine - allerdings richtige - Entscheidung der Salzburgerin führte gar zu einem Sitzstreik der Koreanerin. Beim Hammerwurf der Damen machte zudem der Computer den Richtern das Leben in Sachen Weitenmessung schwer. Die Deutsche Betty Heidler durfte nach langem Hin und Her schließlich doch noch über Bronze jubeln, die Chinesin Zhang Wenxiu schaute durch die Finger.

Deutsche Vorgaben
Deutschland schafft es mit elfmal Gold, 19-mal Silber und 14-mal Bronze zwar auf Rang sechs im Medaillenspiegel, dennoch blieb das deutsche Team klar unter den Erwartungen. Vor allem unter jenen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die kurz vor Ende der Spiele an die Öffentlichkeit gelangten. 86 Medaillen, darunter 26 in Gold, war die eher unrealistische Zielvorgabe, an die auch Förderungen für die deutschen Athleten gekoppelt sind.
Schadenfreude aus österreichischer Sicht ist jedoch fehl am Platz. Denn von den erwarteten drei Medaillen bei den Spielen in London waren die heimischen Sportler genauso weit entfernt wie die deutschen Athletinnen und Athleten von den von der DOSB ausgegebenen 86. Und anders als Österreich schnitt Deutschland in London erfolgreicher ab als in Peking.
Vermeintliche Schwimmgroßmächte
Wenigstens Österreichs Schwimmer waren mit jenen aus Deutschland auf Augenhöhe - zumindest in Sachen Medaillen. Während man aus heimischer Sicht damit rechnen musste, traf die Schwimmpleite unsere Nachbarn mitten ins Herz. Erstmals seit 80 Jahren blieben deutsche Schwimmer im olympischen Becken ohne eine einzige Medaille.
Einzig Langstreckenschwimmer Thomas Lurz holte über 10 km im Freiwasser Silber. Bei der EM in Debrecen im Mai schafften es die Deutschen im Medaillenspiegel hinter Gastgeber Ungarn immerhin auf Platz zwei. Dass mit Italien auch eine zweite Schwimmhochburg im Londoner Aquatic Center leer ausging, war für die Deutschen ein schwacher Trost.
Hiobsbotschaften
Vor Olympia prophezeiten Pessimisten das totale Chaos während der Spiele in der Metropole London. Vor allem dem umfangreichen U-Bahn-System wurde der totale Kollaps vorhergesagt. Auch der Zusammenbruch des Verkehrs aufgrund der extra für Olympiafahrzeuge gesperrten Fahrbahnen schwebte wie ein dunkler Schatten über den Organisatoren. Das Gegenteil war der Fall. Die U-Bahnen gaben auch unter dem stärksten Andrang nicht den Geist auf. Von mehr Stau auf den Straßen war ebenfalls nichts zu bemerken. Die meisten Londoner saßen sowieso lieber gebannt im Stadion und vor den TV-Geräten.
Karl Huber, ORF.at
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Publiziert am 14.08.2012