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Noch viele Baustellen
Für den Erfolg der Olympischen Spiele 2016 wird Rio de Janeiros Bürgermeister sogar seine Frau vernachlässigen. „Ich habe meiner Frau gesagt, dass ich ab jetzt mit der olympischen Fahne schlafen werde“, sagte Eduardo Paes nach der Londoner Abschlussfeier im Hotel scherzhaft. Er küsste am Montag vor Fotografen die weiße Flagge mit den fünf Ringen und stieg mit ihr in das Flugzeug nach Brasilien.
„Jetzt sind wir dran“
Der Welt versprach der 42-Jährige „die besten Spiele der Geschichte“ - und den Wählern daheim eine „Wiedergeburt“ der wunderschönen, aber immer noch von Slums, Verkehrschaos und Kriminalität geprägten Metropole. Rios Cheforganisator Leonardo Gryner kündigte in London „Spiele der Leidenschaft“ an, und tatsächlich freuen sich die meisten der sport- und partyverrückten Bewohner Rios wie kleine Kinder auf 2016. „Jetzt sind wir dran“, jubelte die Zeitung „O Globo“ in großen Lettern auf Seite eins.

Doch in die Vorfreude der „Cariocas“ mischt sich immer mehr Angst vor einem sportlichen und organisatorischen Reinfall. Die Zeitung „Folha de S. Paulo“ stellte am Montag lapidar fest: „Der Londoner Erfolg erhöht den Druck auf Rio.“ Damit Olympische Spiele ein erfolgreiches Fest werden, muss der Gastgeber nicht nur organisatorisch, sondern auch sportlich auf der Höhe sein.
Kritik trotz guter Ergebnisse
Darauf wies auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, in Richtung Brasilien hin. Und obwohl die Londoner Ausbeute der Brasilianer mit 17 Medaillen eine neue Bestmarke bedeutete und sowohl die alten Rekorde von 1996 und 2008 als auch das vom nationalen olympischen Komitee ausgegebene Mindestziel um zwei Medaillen übertroffen wurden, kritisieren Medien und Beobachter das Ergebnis in aller Schärfe.
Angesichts der geschätzten Investitionen von 2,1 Milliarden Reais (840 Mio. Euro) im Zeitraum 2008 bis 2012 fragte das Portal Uol: „Jede Medaille hat uns 123,5 Millionen Reais (50 Millionen Euro) gekostet. Lohnt sich das, ist das nachhaltig?“ Vor allem die Leichtathleten, die erstmals seit Barcelona 1992 keine einzige Medaille holten, enttäuschten. Aber auch Schwimmer, Segler, Fußballer, Basketballer und viele andere blieben hinter den Erwartungen zurück. Sportminister Aldo Rebelo, der für London mindestens 20 Medaillen gefordert hatte, sprach am Montag Klartext: „Wir müssen und können auch bis 2016 viel besser werden.“
Nach einem 22. Platz im Londoner Medaillenspiegel wollen die Südamerikaner mit noch mehr Investitionen in den kommenden vier Jahren 2016 auf eigenem Boden erstmals in die Top Ten vordringen. Doch Experten sind skeptisch. Joaquim Cruz, 800-m-Goldmedaillengewinner 1984 in Los Angeles, klagte auf „Sport-TV“: „Der Schulsport wird bei uns überhaupt nicht gefördert, das wäre die wichtigste Maßnahme. Ich sehe schwarz.“ Noch drastischer äußerte sich Leichtathletikberater Miguel Arruda: Die Investitionen hätten früher getätigt werden müssen, „der Zug für 2016 ist bereits abgefahren“.
Infrastruktur als Achillesferse
Zu allem Übel bereitet vor der Fußball-WM 2014 und den Spielen 2016 auch die Infrastruktur Kopfzerbrechen, obwohl sich viel tut. Zur Eindämmung der Kriminalität wurden die Slums polizeilich besetzt. Sonderspuren für Busse werden eingerichtet, um die kilometerlangen Staus zu reduzieren. Das U-Bahn-Netz Rios soll bis 2016 von zurzeit 40 auf 90 Kilometer ausgeweitet werden. Die Sportstätten vor allem im Westen Rios werden fieberhaft auf- und ausgebaut. Rund 400 Millionen Euro werden in die Renovierung des Maracana-Stadions gesteckt.
Aber in London räumte kein Geringerer als Fußball-Star Pele ein: „Uns machen unter anderem die Kommunikationen und der Transport Sorgen, da läuft es nicht so gut.“ Geld scheint im noch boomenden Land bisher zwar kein Problem zu sein. Allein an Ausgabentransparenz fehlt es. Sowohl das IOC als auch der ehemalige Torjäger Romario, heute Parlamentsabgeordneter, fordern immer wieder Zahlen und Daten. Bürgermeister Paes versucht derweil die Gemüter zu beruhigen. „Rio wird von den Spielen für immer verändert werden.“
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Publiziert am 14.08.2012