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Eine Woche zum Vergessen

Die Olympischen Spiele von London sind aus österreichischer Sicht bisher zum Vergessen: Nach sieben Wettkampftagen steht das rot-weiß-rote Aufgebot noch immer ohne Medaille da. Die heimischen Hoffnungsträger waren bisher nicht vom Glück verfolgt. Dazu kamen teils selbstverschuldete Pannen - oder einfach nur Unvermögen.

Nicht nur Sportminister Norbert Darabos musste das bisher magere Abschneiden der österreichischen Athleten ernüchternd zur Kenntnis nehmen. „Nur zu Olympia zu fahren und die gute Atmosphäre zu genießen, das ist zu wenig“, sagte der Minister, „Olympiatourismus, das ist nicht das Ziel.“ Doch genau diese Rolle erfüllten die Österreicher bisher noch am souveränsten.

Fehler zerstören Hoffnungen

Der olympische Terminkalender wollte es, dass die meisten der österreichischen Hoffnungsträger bereits in der ersten Woche ihre Chance bekamen. Nutzen konnte sie aber noch niemand. Am Donnerstag folgten die bisher letzten Tiefschläge für die ÖOC-Abordnung in der britischen Hauptstadt. Kanutin Corinna Kuhnle, als Weltmeisterin eine der Favoritinnen auf Edelmetall, leistete sich im Finale einen groben Schnitzer und sah das Podest als Achte nur von der Weite. Und die Beachvolleyballer Clemens Doppler und Alexander Horst waren trotz guter Ausgangslage am Ende doch am Sand.

Drei Punkte fehlten dem Duo zum direkten Aufstieg ins Achtelfinale. Ein schlechter Satz beendete alle Medaillenhoffnungen der Österreicher. „Wir sind leider keine Maschinen und können alles jeden Tag perfekt machen“, sagte Doppler nach dem vorzeitigen Aus. Herz und Kampfgeist waren an diesem Abend nicht ausreichend, um Doppler/Horst im Turnier zu halten. „Bis auf den einen Satz haben wir ein konstantes Turnier gespielt“, sagte ein enttäuschter Doppler, „uns ist leider der Faden gerissen.“

„Nur eine Leere“

Kein gerissener Faden, sondern ein Blackout ließ den Traum von Sabrina Filzmoser platzen. Die Judoka setzte in der Hoffnungsrunde gegen Giulia Quintavalle aus Italien ein unerlaubtes Manöver und wurde disqualifiziert. Ludwig Paischer hatte hingegen bereits mit der Auslosung Pech. Der Salzburger bekam es früh mit dem Weltranglistenersten Rischod Sobirow aus Usbekistan zu tun und war am Ende chancenlos. „Da ist nur eine Leere“, sagte Paischer und sprach damit auch Filzmoser und der ebenfalls in der zweiten Runde gescheiterten Hilde Drexler aus der Seele.

Eine totale Pleite gab es auch im Tennis. Tamira Paszek und Jürgen Melzer scheiterten im Einzel bereits in der ersten Runde. Vor allem Paszeks Aus gleich am ersten Wettkampftag traf die österreichische Abordnung in London ins Herz. Immerhin war die 21-Jährige nur kurz vor Olympia an gleicher Stelle in Wimbledon im Viertelfinale gestanden. Immerhin gab es im Tennis auch ein kleines Erfolgserlebnis. Melzer schaltete in ersten Runde mit Partner Alexander Peya die britischen Hoffnungsträger Andy und Jamie Murray aus. In der zweiten Runde war aber auch für Melzer/Peya Schluss.

So richtig leer fühlte sich auch Österreichs erfolgreichster Schwimmer aller Zeiten - Markus Rogan. Dem 30-Jährigen blieben die letzten 200 Meter seiner olympischen Karriere dank einer missglückten Wende im Semifinale verwehrt. Ein schwedischer Kampfrichter wollte das Vergehen des zweifachen Silbermedaillengewinners von Athen 2004 gesehen haben. „Ich wollte meine Olympiakarriere eigentlich aus eigener Kraft beenden“, sagte Rogan.

„Robin Hood“ als Ausreißer

Immerhin war das olympische Schwimmbecken nicht nur ein Meer der Tränen. Dinko Jukic sorgte mit Rang vier über 200 Meter Delfin für das bisher beste Ergebnis aus österreichischer Sicht bei den Spielen. Über 100 Meter Delfin fehlten dem 23-Jährigen 147100 Sekunden zum Finaleinzug. Mit Rang neun war aber auch dieses Ergebnis einstellig. „Ich kann zufrieden sein“, sagte Jukic. Bemerkenswert: Der Wiener fand neben seinen Einsätzen noch genügend Zeit für seinen verbalen Feldzug gegen die verkrusteten Strukturen im Schwimmverband OSV.

Fast bei jedem Interview ging Jukic, der selbsternannte „Robin Hood des österreichischen Sports“ mit dem Verband wegen des laufenden Disziplinarverfahrens gegen ihn auf Konfrontation. Sogar seinen Rücktritt vom Leistungssport stellte Österreichs bisher erfolgreichster Athlet in London in den Raum. Darüber, wie schnell Jukic im Olympiabecken gewesen wäre, wenn er nicht einen Teil seiner Energie in den Kampf gegen die Verbandsspitze gesetzt hätte, kann nur spekuliert werden.

Erinnerungen an Tokio

ÖOC-Präsident Karl Stoss übte sich trotz der Medaillenflaute in den ersten sieben Wettkampftagen dennoch in Zweckoptimismus. „Wir verlieren sicher nicht so schnell die Geduld“, sagte Stoss. Trotzdem sieht sich der ÖOC-Präsident mit dem schlechtesten Start einer österreichischen Mannschaft seit Sydney 2000 konfrontiert. Damals musste Rot-Weiß-Rot bis zum siebenten Tag warten, um die erste Medaille, Gold im Segeln von Roman Hagara und Hans-Peter Steinacher, warten. Groß ist die Auswahl an Medaillenkandidaten jedoch nicht mehr.

Die Flachwasser-Kanutinnen Yvonne Schuring und Viktoria Schwarz, sowie Ringer Amer Hrustanovic könnten an einem guten Tage Edelmetall schürfen. Auch die Segler Matthias Schmid und Florian Reichstädter könnten noch zum Rettungsanker werden. Setzen sich Pleiten, Pech und Pannen aber auch in der zweiten Olympiawoche fort, hat Österreich zum zweiten Mal in der Geschichte die Null zu Buche stehen. 1964 flog die heimische Abordnung aus Tokio mit leeren Händen nach Hause.

Karl Huber, ORF.at aus London

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Publiziert am 03.08.2012